Beim
Verlassen der Wildganspagode begegnet uns der oben abgebildete
chinesische Herr in dem modisch abgewandelten Mao-Anzug. Er wird von
den Chinesen selber als Sun-Yat-sen-Anzug bezeichnet, da der
Begründer der Republik ihn einst als Beamtenkleidung eingeführt
hatte. Auf unserer Reise werden wir ihn kein zweites Mal zu
Gesicht bekommen.
Als nächstes steht
der Besuch einer Jademanufaktur
mit angeschlossener
Verkaufsausstellung auf dem Programm. Das kann lästig werden,
doch angesichts des Jade-Leichengewands jenes Fürsten aus der
Han-Zeit und des mit einem Jadering - einer rituellen
Bi-Scheibe - in der Hand flüchtenden Qin-Kaiser ist
dies für Xian nicht so abwegig. Die seit Jahrtausenden in China
nachweisbare Hochschätzung der Jade
beruht zum einen auf ihrer Assoziierung mit
Todesüberwindung und sakraler Erhabenheit (ein
mythischer "Jadekaiser" tritt so
als Hauptgott des Daoismus auf) und zum anderen auf ihren
ästhetischen Qualitäten, die zudem ethisch
aufgeladen wurden. So konnte man die
Gerechtigkeit mit der Härte der Jade vergleichen und
kam man auf auszeichnende Benennungen
wie "Jadekonkubine",
"Jadeflöte" (für ein liebenswertes
Töchterchen), "Jadeherz" oder auch "Halle
der Jadewogen" (im Sommerpalast
der Kaiserinwitwe Cixi).
Mineralogisch
ist die Bezeichnung 'Jade' in China weiter gefaßt als bei uns, neben
dem Nephrit und härterem Jadeit zählt hier auch etwa der
grünliche Edelserpentin dazu. Uns überraschen die vielen
Farbvarietäten, die selbst der kostbare Jadeit neben seinen
Hauptfarben Weiß und Grün aufweist.
Eine mit einem
Jadearmreif geschmückte Angestellte spricht in ihrem knappen Vortrag
auch über das Vorkommen und die verschiedenen
Härtegrade von Jade. Sodann demonstriert sie,
gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme vor dem
Kauf, wie sich die Echtheit überprüfen läßt: Das
Material sollte möglichst durchscheinend und kratzfest sein, sich
kalt anfühlen, relativ schwer sein und keine
Luftblasen enthalten. Es folgt noch eine Warnung vor
der Hautallergien auslösenden
Kunstjade, dann können wir Jadeschnitzern bei
der Arbeit zusehen und werden in die Verkaufsabteilung
entlassen. Neben kunsthandwerklichen
Objekten - darunter Miniaturlandschaften
- wird hier vor allem Schmuck angeboten. Derweil
die meisten Männer sich zu einer Tasse Tee
niederlassen, erstehen Damen unserer
Reisegruppe einige Schmuckstücke. Mir gefällt eine
kleine goldbraun getönte Jadepfeife mit
eingravierten Drachen; vor dem Kauf lasse
ich mich durch eine Wasserprobe von ihrer
Funktionstüchtigkeit überzeugen.