In
seinem Unsterblichkeitsverlangen
soll der Kaiser auch regelmäßig Quecksilber als Elixier
zu sich genommen und zuletzt Symptome einer
Quecksilbervergiftung gezeigt haben.
Er verstarb mit erst 49 Jahren auf einer seiner weiten
Inspektionsreisen, die ihn wiederholt bis
zu dem Gelben Meer mit jenen "Inseln der
Unsterblichkeit" geführt hatten. Wie
in Akira Kurosawas Film 'Kagemusha' (1980) versuchten einige
hohe Gefolgsleute, den Tod des Herrschers bis zur
Rückkehr nach Xian zu verheimlichen und
ließen so vor und hinter dem kaiserlichen "Komfortwagen"
einen Wagen mit einer bald nicht mehr frischen
Fischladung mitfahren. Wenn er wirklich an einer
chronischen Quecksilbervergiftung
starb, dürfte dieses sogenannte Übergangsmetall
alias Merkur nicht nur für die Flüsse und den Ozean in
seiner Grabanlage nachweisbar sein, sondern auch
für die irdischen Reste dieses Herrschers.
Zum Abschluß dieses kleinen
Kapitels über den Totenkult noch eine interkulturelle Anmerkung zu
der Zufallsentdeckung der Terrakotta-Armee: Es war ein
Granatapfelhain, in dem die
Brunnenwasser suchenden Bauern 1974 ihren Schacht gebohrt hatten. Den
Granatapfel und seinen Genuß hat ja schon die griechischen
Mythologie eng mit der Unterwelt verquickt; Persephone
mußte dies erfahren, als sie nach dem Verzehr dieser
Frucht in das Reich des Hades gebannt blieb.
*
Am frühen Nachmittag kommen
wir mit dem Reisebus wieder zurück
nach Xian und
steigen am Westtor
der Stadtmauer
aus. In ihrer jetzigen Gestalt stammt sie aus dem 14. Jh. und
ist die einzige Chinas, auf der man die Altstadt vollständig
umlaufen und auch mit dem Fahrrad oder in einer Rikscha
umfahren kann. Sie ist 14 km lang, oben über 12 m Meter
breit und durch einen Wassergraben gesichert; erbaut wurde
sie streckenweise auf den Fundamenten der
dreimal längeren Stadtmauer aus der Tang-Zeit, als Xian
noch Millionenstadt war.
Die gegenwärtige
Mauer ist beeindruckend genug. Ich fühle mich dort oben, im
Regendunst und angesichts einzelner Radfahrer, sekundenlang
auf eine der langen und breiten Straßen von Ferrara versetzt! Nach
einem kurzen Spaziergang sehen wir uns im Westturm eine
Ausstellung an, die unter anderem über den Verlauf
der von Xian ausgehenden Seidenstraße
unterrichtet.
Die
Stadt ist auch wegen ihrer Teigtaschen bekannt, und so gehört denn
zum heutigen Abendprogramm unserer Gruppe ein kleines
Teigtaschenbankett.
Nachher werden wir alle zu einem abendlichen
"Wasserorgel"-Spektakel geführt, über das man schnell
geteilter Ansicht sein kann. Es ist eine aufwendige
Wasserspiel-Show
mit Licht- und Farbeffekten, bei der zur 'Kleinen
Nachtmusik' oder auch zur Ouvertüre der 'Leichten
Kavallerie' an die 1000 Fontänen
rhythmisch zum Tanzen gebracht werden sollen.
Zuletzt
durchstreifen wir beiden noch die Altstadt
von Xian. Hier,
innerhalb des Gevierts der Stadtmauern, sind keine Gebäude
im modernen Stil erlaubt und finden sich daher
häufig Nachbildungen älterer Häuser, sogar im Look der
benachbarten Wachtürme. - Vieles
spielt sich am Abend am
Rande der Straßen
ab, darunter die uns faszinierende Arbeit der Garköche,
das Schlachten von Fischen und Zubereiten von Speisen,
deren kulinarische Bestimmung wir bis
zum Ende unserer Chinareise nicht immer
von einer medizinischen oder
aphrodisiakischen unterscheiden
können.
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