Unsere
Gruppe verläßt die Verbotene Stadt durch das Nordtor, um sogleich
durch eine Straßenunterführung zu dem
gegenüberliegenden Aussichtshügel
('Jing Shan') zu
gelangen. Er wurde aus den Aushubmaterialien
des Palastgrabens aufgeschüttet und erhielt nach den dort
für die Palastheizung und -küche gelagerten
Kohlevorräten seinen populären Namen
'Kohlehügel'.
Gemäß der Feng-Shui-Lehre sollte dieser noch Anfang des
20. Jh. zur Verbotenen Stadt gehörende Hügel den
Kaiserpalast gegen schädliche Einflüsse aus dem
Norden absichern. Die meisten von uns beginnen
sogleich die Hügelspitze mit dem Pavillon zu ersteigen, von dem aus
man einen schönen Blick über die Dächer der Verbotenen
Stadt haben soll. Wir beiden möchten aber zunächst
eine andere, abseits gelegene Stelle am Fuße
der Anhöhe aufsuchen. Es ist die Gedenkstätte
für den letzten und unselig endenden
Kaiser der Ming-Dynastie.
Auf dem Weg dorthin
schauen wir einigen Gärtnern zu, die soeben
dabei sind, "chinesische Pflaumen" (Kakis)
zu ernten. Etwas weiter scheinen jüngere
Leute eine Theaterszene zu proben, und in einem
anderen Teil des Parks sitzen ältere Leute
grüppchenweise beim Kartenspiel. Wohltuend
nach dem Gedränge im Kaiserpalast ein andermal diese Ruhe in einem
großen Park.
An der Gedenkstätte
für den Chongzhen-Kaiser
stehen einige chinesische Besucher und studieren die Inschriften auf
den beiden Stelen. Aufgrund falscher
Anschuldigungen hatte der Kaiser seinen fähigsten
General durch Lingchi ("Tod durch 1000 Schnitte")
hinrichten lassen und danach Niederlage auf
Niederlage erlitten. Als nach Hungersnöten 1644
eine Rebellenarmee aus Bauern und abtrünnigen
Soldaten durch Verrat in Beijing eindringen
konnte und Chongzhen sich sogar von seiner
Palastwache verlassen sah, ordnete er
den Suizid von Familienangehörigen
an, begab sich sodann zum Kohlehügel und
erhängte sich an einem Pagodenbaum. Graute
ihm etwa vor einer möglichen Todesstrafe wie dem Lingchi?
Die
Aufständischen wurden bald ihrerseits vertrieben, da ein
Ming-General die Armee der Mandschu am Shanhai-Paß
(beim Golf von Bohai) durch die Tore der Großen Mauer ins Land ließ.
Nach vollbrachter Hilfeleistung setzten sich die Mandschu
dann selber als Dynastie
der Qing
bis 1911 auf dem Drachenthron fest.
Der Pagodenbaum
wurde während der Kulturrevolution von Maos Roten Garden gefällt
und mittlerweile durch einen neu gepflanzten Baum
ersetzt.
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