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VI GERMANISTICA



Karl-Josef Hamm (*1935 †2016); Foto von Gerhard Dotzauer bei seiner Feier der Mittleren Reife 1966

Quelle: http://bi.schraven-net.de/su/mitrei/mtlRei-f0005.html


Herr Studienassessor Hamm, der uns in dem neuen Unterrichtsfach Gemeinschaftskunde” unterrichtet, ist der letzte Lehrer, den wir in der Oberstufe erhalten. Sein Unterrichtsstil weiß tolerante Lässigkeit mit nüchterner Programmatik zu vereinen und scheint mir überdies eine neue Generation von Lehrern anzukündigen. Ge­mein­schafts­kun­de überschneidet sich zwar im Stofflichen immer wieder mit den alten Fächern Erdkunde und Geschichte, führt uns aber in eine neue so­zial­ge­schicht­li­che und politische Dimension ein, die auch ethische Fragestellungen wie die nach dem frühkapitalistischen Umgang mit der Arbeiterschaft bereithält. Darin und in dem diskussionsintensiven Stil ist dieses Schulfach für mich das erste, in dem der demokratische Geist der doch lange schon bestehenden Bundesrepublik sich selbstbewußt entfalten kann. Herr Hamm ist dabei so offen, auch philosophische Randfragen wie die nach der Willensfreiheit mit aufzunehmen, die er – an­ders als ich – schon durch die menschliche Vernunft für gesichert hält. Freilich läßt er die Frage nicht als abstraktes Problem stehen, sondern bezieht sie so­gleich wieder auf das Unterrichtsthema <den Determinismus der Rassenlehre> zurück.

    Er kann durchaus ironisch, missmutig oder auch provokant auftreten, nimmt jedoch weder unseren Widerstand noch unser Desinteresse persönlich, sondern als Ausdruck unserer Schülerexistenz, so, als wüsste er hierüber noch bestens Bescheid und könnte dies auch kaum anders sein. Dafür freilich scheut er sich nicht, gelegentlich zu denselben Listen wie unsereins zu greifen. Als ich mich einmal wegen meines lückenhaften Schulbesuchs vor einem Referat gedrückt und das The­ma schon meinem Banknachbarn Norbert überlassen habe, setzt er alles daran, mich von einer Stunde zur anderen, anlässlich der Inspektion unseres Schul­di­rek­tors, wenigstens als Korreferenten heranzuziehen. Gerade eben noch kann ich mich von einem seiner ahnungslosen Kollegen beurlauben lassen und so dem drohenden Fiasko entkommen.

   Als ich Tage später wegen einer ärztlich attestierten Knieverletzung beim Sportabitur nur zusehen kann und sogar Charly” Meeßen mich finster anblickt und als Simulanten zu verdächtigen scheint, ist Herr Hamm der einzige, der zu mir hintritt und sich mit mir unterhält („ist sehr charmant”).


Ich habe es ihm schlecht vergolten. 1995 fragte ich meinen ehemaligen Mitschüler Willi Verbeet nach einem mir rätselhaft gebliebenen Tagebucheintrag, der sich auf unsere Berlinfahrt vom 25.-31. 10. 1964 bezog („Diskussion mit Hamm über Berlin; sagt, er wolle das Vorgefallene vergessen”). Er erwiderte sogleich: „Du,


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