Weit
schlimmer aber war die anonyme, nur in späteren Statistiken bekannt
gewordene Vertreibung
hunderter von Schülern
von unserem Gymnasium. Der Terror
dieser dezimierenden Notengebung
überzog besonders die Unter- und Mittelstufe derart epidemisch mit
„mangelhaften” und „ungenügenden” Zensuren, daß
in manchem Jahr jeder fünfte oder vierte einer Klasse verlorenging.
2007 schrieb ein
ehemaliger Schüler:
„Ich erinnere mich noch gut daran, dass es Lehrer gab, die auch
7-en und 8-en verteilten, eine 6 reichte denen nicht.”
Ich
selber entsinne mich, wie ich (laut Tagebuch am 9.12.64) einen
‚Spiegel’-Artikel las, der unserer Schule unter allen deutschen
Gymnasien einen
Spitzenplatz bei der „Sitzenbleiber”-Quote nachwies und speziell
von meiner ehemaligen „Sexta a” berichtete, dass von
unseren einst 33 Schülern nur noch ein einziger,
ohne eine Klasse wiederholt zu haben, sich zur Zeit in Sterkrade auf
das Abitur vorbereite. –
Den
Artikel kann man inzwischen auch im Internet nachlesen
(www.spiegel.de/spiegel/print/d-46176317.html).
Über
dem ‚Kreisel’-Beitrag
von Udo Buhren ist eine auf den ersten Blick respektvolle
Porträtzeichnung
von
Wim Wenders
plaziert.
Sie zeigt Herrn Dr. Lorenz überlebensgroß, als pädagogische
Justitia, die in der Rechten unsere Schule und in der Linken ihre
Waagschale parat hält. In der Gestaltung der Waagschale
dieses Gerechten kann man freilich auch das tendenziöse, leicht
verbogene christliche Kreuz erblicken. Wenig Erfreuliches mag einem
zudem die Physiognomie des damals 50-Jährigen verheißen, eine Art
Asketenschädel mit annähernd mumienhaften Zügen, geschmückt
von einem pedantisch knappen Haarschnitt. Zusammen mit dem
überenergischem Kinn und dem hinweggewandten Blick ist dies für
mich die Schreckgestalt
eines Pädagogen,
eben die eines Totenrichters, der trotz seiner akkuraten Lachfältchen
die Existenzen massenhaft aburteilt. Doch kann man nicht in seinen
Zügen noch einen Mitleid erregend strebsamen Sextaner erkennen?
Zum
Auftreten unseres Direktors bei den Abiturprüfungen vgl. S.
66.
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