–
Nun
die
ausgefeilteste Szene des Films,
als sie ihr Schand- und Brandmal, von dem Athos schon zweimal sprach,
unfreiwillig offenbart, und zwar nicht vor ihm, sondern vor
d'Artagnan, der ihr den Dolch entreißen will: Als bei diesem
Gerangel ihre Schulter entblößt wird, hält er inne und starrt auf
das Mal. In Nahaufnahme daraufhin ihr Gesicht, das zeigt, wie sie
sein Erstarren begreift; sogleich und ebenso nah sein Gesicht mit den
vor Entsetzen weit sich öffnenden Augen. Noch einmal nah
ihr Gesicht und wie sie dann langsam hinunter schaut – die Kamera
schwenkt mit, hinab auf ihre Schulter, auf der jetzt deutlicher
die rötlich-blasse Lilie zu sehen ist.
Weitere
Erinnerungsempfindungen beim Wiederbetrachten:
– Wenn
bei ihrer Gefangensetzung in England die Hellebarden vor ihr gekreuzt
werden; wie sie danach kniend zu beten scheint – bis plötzlich,
als sie den Kopf wendet, bei grellem Blitzschein eine Sturmböe ihr
Haar durchweht.
– Als
er erfährt, dass sie nun von ihrer ehemaligen Zofe bewacht werde,
sagt Athos: „Satan bewacht von einem Engel!”
– Wie
hässlich demaskiert die ungeschminkte Gefangene mit ihren
Stirnrunzeln auf einmal aussieht! Und schon steckt die Zofe
Constance, der sie bei hochgezogenen Augenbrauen ihr Mal zeigte, ein
Messer zwischen die Seiten eines Buchs, für sie, die sich angeblich
umbringen will.
– Dann
geht jemand in dem blauen Kapuzenmantel der Zofe an der Wache vorbei
und ist auf verdächtige Weise nur von hinten zu sehen. Wenn die
Frauenhand auf dem Türknauf liegt, kann man frische
Blutspuren zwischen den Fingern und an der Tür erkennen. (Damals war
mir nicht klar, ob nur der jüngere Wachsoldat oder die
Zofe erdolcht wurde.)
– Noch
einmal erklingt ihr schmeichlerisches, hoch- und niederfahrendes
musikalisches Motiv (das auch beim Anblick der blutigen anonymen
Frauenhand aufklang!), als sie im Spiegel Athos erblickt ... Nach
seiner letzten Liebeserklärung und ihrem vergeblichen Fußfall tritt
er beiseite, und man sieht in der spitzbogigen Tür im rötlichen
Licht einen Mann mit einer riesigen Axt: „Der
Henker von Lille!”
...
Stolzer und schöner denn je, akzeptiert sie das Unvermeidliche
und geht dem Henker voraus. Erneut ist stürmischer Wind aufgekommen
und heult zugleich ihr musikalisches Motiv auf. Athos folgt ihr mit
verschwimmenden Blicken, wie sie beide über ein gewölbtes
Steinbrückchen hinwegschreiten und sie sich endlich in der linken
Bildecke, halb verborgen durch einen Baum, niederkniet.
- 21 -