Mein Lieblingskino
Das nach dem Holtener Kastell (aus dem späten 12. Jh.) benannte ‚KASTELL-KINO’ liegt als Anbau einer Gastwirtschaft gleich bei der Hauptkreuzung am Marktplatz von Oberhausen-Holten. Über dem Eingangsportal des Kinos befindet sich ein schmales Balkonfenster mit einem davor wie angeklebten niedrigen Gitter. Von drinnen her führt ein Treppchen zu diesem Fenster hinauf; doch steigt nur einer von uns Jungen manchmal hinauf. In dem Schaukasten seitlich links vom Eingang ist einmal statt der üblichen Serie von Photos bloß ein Hinweis zu finden, wonach dieser Film nur von Ehepaaren angesehen werden dürfte <also ein sogenannter Aufklärungsfilm>. Ein andermal betrachte ich dort die Ankündigung eines 3-D-Films, für den die Zuschauer Pappbrillen mit rotgrünen Gläsern erhalten. Ich selbst bin wohl noch zu jung für diesen Film.
Rechts vor dem Einlass in den Saal liegt der verglaste Kassenraum und an der Längswand rechts daneben hängen Filmbilder und -plakate. In der Kassenkabine ist eine Schautafel mit den Sitzplätzen angebracht. Fest assoziiert mit ihr sind die mir vorher sicherlich unbekannten Bezeichnungen Bezeichnungen „Parterre” und „Parkett”. Kreuzt nicht die Kassiererin auf einem kleinen <hektographierten> Blatt den gewünschten oder eben noch ergatterten Sitzplatz an?
Die Leinwand liegt gleich rechts hinter dem Einlass. Ich gehe meist noch weiter in den Saal hinein, um mir ungefähr in den mittleren Reihen einen Platz zu suchen. Die Sitzreihen scheinen hier aus Sperrholz zu sein. Eines Tages, vor der Vorführung des Hauptfilms, geht plötzlich wieder die Saalbeleuchtung an: Vor der Leinwand steht ein Polizist und erklärt, dass dieser Film für Kinder unter 12 Jahren verboten sei. Danach gehen mehrere Erwachsene durch die Reihen, mustern unsere Gesichter und fordern den einen oder anderen auf, mitzukommen. Ich selbst bin offenbar nicht betroffen, jedenfalls läuft dies alles in meiner Erinnerung als eine bloß spektakuläre Szene ab, ohne begleitendes mir peinliches Gefühl.
So manches Mal allerdings bin ich beunruhigt, wenn ich mich wieder einmal ein oder zwei Jahre vor dem erlaubten Alter in einen Film hineingeschmuggelt habe. Schon der Versuch fällt mir nicht leicht, ich weiß, dass meine körperliche Entwicklung hier gegen mich spricht und ich jedesmal abgewiesen werden könnte. Das wäre mir nun doch sehr unangenehm. Ein- oder zweimal scheint mir dies dann in einer Nachbarstadt zu widerfahren. Am leichtesten fällt mir der Schummelversuch in einer Jungengruppe, vor allem dann, wenn der vorantretende Älteste gleich für uns alle Karten anfordert.
Dass in bestimmten Kinos oft erhebliche Differenzen zwischen dem „FSK”-Alter und dem der meisten Besucher toleriert wurde, war besonders an den naiven oder auch ängstlichen Aufschreien der allerjüngsten Besucher zu bemerken. – Eröffnet wurde das Kino ,Kastell-Lichtspiele’ 1945 von dem Filmkaufmann Franz Röder, der vor allem im Ruhrgebiet über ein Dutzend Lichtspielhäuser und speziell die ,BALI'-Kinos in einigen Hauptbahnhöfen einrichtete.
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