Draußen
ist es längst hell geworden. Der Wohnwagen hat den
Hollywood-Boulevard verlassen, und als die beiden sich vor einer
„Alibaba”-Figur umarmen, peitscht ein Schuß und wird Gordon in
den Rücken getroffen. Munro, vom Fallenden
hinuntergezogen, reißt im Knien seine Super-8-Kamera hoch – hinter
ihm sein über Nacht verräterisch abgestelltes „SAM
SP8”-Auto – und richtet sich aus der Hocke allmählich auf,
dreht sich suchend mit pistolengleich vorgehaltener
Kamera in einem Halbkreis, wobei die Filmkamera seinen
Rundblick wie solidarisch aus der Perspektive
seiner Super-8 zeigt. Er scheint nichts gesehen zu haben
und läßt die Kamera sinken. Es folgt ein Schnitt zu dem
daliegenden Gordon, der von seinem Dackel
beschnüffelt wird, und zurück zu Munro, der gleich danach
erschossen wird. Er bricht über Gordon zusammen, während
die Filmkamera in schneller Suche erneut jenen Halbkreis abfährt –
und noch ein Stückchen weiter nach hinten, wo man nun am
Straßenrand eine schwarze Limousine erkennt. Wieder wird zu
Munro geschnitten, der noch im Liegen seine Kamera
hochzuhalten sucht. Im Umschnitt bekommt man nun in einer
verkippten Super-8-Aufnahme mit, wie die schwarze
Limousine losfährt und mit quietschenden Reifen
wendet. Munros Kamera folgt ihr nicht mehr,
sondern bleibt auf den Asphalt gerichtet, wobei noch ein
weiteres Auto jenseits ins Bild kommt und gleich danach eines
diesseits, das nach ein, zwei Sekunden als Standbild festgehalten
wird, als wäre das Auge dieser Kamera gebrochen.
Rasches Abblenden.
***
Fällt
Munro mit der Kamera in der Hand, so in der ironischen Schwebe
zwischen vorgezeichneter Bestimmung und
faktischem Zufall oder Versehen (in Hollywood am richtigen
Ort, doch im falschen Moment mit einer „falschen Bewegung”).
Er fällt so kaum anders als der von ihm in Sintra parodierte
todessüchtige ,Hamlet’-Verehrer
Doc Holliday, der im ungünstigsten Moment von
seinem Hustenanfall erwischt wird und sich gleichwohl wie Munro noch
einmal zum Schuß hochrappelt. Wer die gewisse Ironie
darin verkennt und überhaupt die Differenz zwischen dem
Regisseur Munro und Wenders so wie jene zwischen
Gordon und Coppola, kommt bald zu haltlosen
Folgerungen. R. Ph. Kolker und P. Beicken, die in ihrem
Filmbuch über Wenders immer wieder gute Beobachtungen zum
Inhalt und Gehalt bringen, aber zu der eigentlichen,
künstlerischen Dimension eines Films enttäuschend
wenig zu sagen haben, scheinen zu glauben, daß
Wenders Munros Tod mit dem eines argentinischen Kameramannes in
Guzmáns ,Battle
of Chile’
(1975) gleichsetzen wollte, der unfreiwillig die eigene
Liquidation (Pistolenschuß) durch das Militär dokumentierte.
Und
sie deuten dementsprechend Munros Ende als ästhetische
Kapitulation von Wenders selbst: „His
experience with Coppola must surely have
convinced him that the time of the art film and his previous life as
a sensitive, subjective filmmaker were over”. „After ,The
State of Things’,
Wenders begins a descent from modernism into melodrama
and then into the postmodern mode”.14
Dagegen möchte ich in meiner ,Hammett’-Analyse
zeigen, daß Wenders seine künstlerische
Subjektivität und Eigenwilligkeit sogar unter
diesen Produktionsbedingungen zu behaupten
verstand, indem er sich auf seine weithin immer noch
verkannte kryptische Darstellungsweise
konzentrierte.
Wenders’
Lebenswerk wird man sicherlich gerechter, wenn man Munros Tod als
Variante des „Todes der Kamera” auffaßt, den Wenders
1969 in ,Alabama
(2000 Light Years)’
inszenierte. Dies in einer Empathie mit dem sterbenden Helden,
die aber schon damals auf keine mystische Identität
mit dem Filmemacher Wim Wenders hinauslief. So daß man nun auch
anmerken darf, daß sich in jener frühen Gangsterfigur und
auch in der anderen in ,Same
Player Shoots Again’
(1968) bei ikonographisch genauerer (kryptischer) Lesart eine
Christusgestalt abzeichnet. Und daß man in Munro,
dessen Tod sich im Standbild seiner Super-8-Kamera
widerspiegelt und mit dem zugleich dieser Film sein Ende
findet, eine verwandte Märtyrerfigur erblicken kann,
die für ihre Überzeugung fällt. In den Umständen eher zufällig
zwar, dafür aber geistig in doppelter Frontstellung gegen
das krude Lebensrecht des Stärkeren (,The
Survivors’)
und gegen die von Hollywood geförderte Flucht aus dem Leben und
der Verantwortung.
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