Note kommt: Perplex und stumm nehmen
wir beiden dies zur Kenntnis. Damit nicht genug, rächt
sich „Trapper” noch dadurch, daß er mir in Latein nicht die
Abschlußnote gibt, die ich nach meinen sonst
durchweg triftigen Berechnungen
verdient hätte.
Dafür
soll er einmal einen besonders schwachen Schüler durch eine
unverdient günstige Zeugnisnote vor der Relegation
vom Gymnasium bewahrt haben. – Ein Klassenkamerad,
der des Morgens mit kleinem Abstand hinter „Trapper”
zur Schule ging und so dessen regelmäßige
Verproviantierung mit „Vivil” und ähnlich
kaschierenden Mitteln mitbekam, wußte
Jahrzehnte später von anderen unerbittlichen
Verfolgungen zu berichten, noch Jahre über die
„Mittlere Reife” hinaus. Ungerecht,
heimtückisch und zudem sadistisch sei er gewesen,
habe so gern mit den Fingerknöcheln gegen die
Oberarmknochen oder in die Weichteile an deren Unterseite
gestoßen.
Als
ich Jahrzehnte später sah, daß „Trapper” noch in der Nähe
unseres Gymnasiums wohnte, hatte ich nicht die
geringste Lust, mich wieder an ihn zu wenden und
mich um ein besseres Verständnis seines Verhaltens zu
bemühen. Wie auch sollte eine etwaige
Alkoholkrankheit es entschuldigen können? So
denn ab mit ihm in den Orkus, wo schon andere
unvergessene Todfeinde meiner Kindheit und Jugend auf
ihn warten!
Sicherlich
wurde sein Treiben von manch einem seiner Kollegen bemerkt und
mißbilligt. Doch war es einer von uns, Wim Wenders, der dies
auch öffentlich ansprach, als er 1964 in unserer Schülerzeitschrift
ein „Stimmungsbild” von unserer Schule zeichnete und in
seinem Begleittext einen ungenannten, für uns Schüler
aber kenntlichen Pauker ausrufen ließ: „Was ist
denn Subjekt, Du Armleuchter?” (Siehe die
Abbildung auf S.
64)
Monate
vor dem Abitur tritt auch „Trapper”
nach
Jahren wieder auf dem Schulhof an mich heran und fragt mich wie
verschwörerisch: „Was
ist der Mensch?”
Ich
will es ihm zeigen und antworte mit einer Definition Sartres:
„Eine
Marmelade.” Er, verdutzt: „Wie?”
Ich:
„Ein
‚Zoon politikon’”.
Und was denn dies bedeute? Ich, bei meiner ‚Marmelade’
bleibend, übersetze Aristoteles’ Wort
entsprechend: „Ein
Gesellschaftstier”.
Er: „Ja,
ein gesellschaftliches Lebewesen. Denke immer
daran!”
Oder
so ähnlich. Und sogleich stürzt er wieder davon.
Worauf
wollte er mit diesem Appell hinaus? Laut Tagebuch vermutete
ich, daß er meinen Lebenslauf, den ich fürs Abitur
abzufassen hatte, soeben gelesen hätte. In
seinem Aufbau ist er mir nicht mehr erinnerlich, doch
dürfte ich darin meinen Studienwunsch
„Philosophie” und mich außerdem noch zu
meinem damaligen Credo eines den Menschen bestimmenden,
im letzten antisozialen ,Egotismus’
bekannt haben.
P.S.
2014: Laut
seiner Personaldaten
war Franz Pieczyk Mitglied in
den folgenden Organisationen der NSDAP: Hitlerjugend
(Jungzugführer), SA, NS-Lehrerbund und NSV. - Für
den Lateinunterricht, mit dem er uns so piesacken konnte, besaß er
übrigens nur die eingeschränkte Lehrbefähigung
II.
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