Quelle: www.fvsg-ob.de/163.html
ERDKUNDE
Hierin
scheint uns also eine Zeitlang auch unser Deutschlehrer,
Herr von der Laden, unterrichtet zu haben. Sodann,
leider ebenfalls nur für kurze Zeit, kommt aus
Bogotá der
liebenswürdige Dr.(?) Leuschner,
genannt „Leo”,
zu uns. Er hat einen leichten Akzent, ist um die 50
Jahre alt und für einen Lehrer ungewöhnlich gut
gekleidet und frisiert. Er behandelt uns
höflich, ja respektvoll und geht manchmal in einen
kameradschaftlichen Ton über, so wenn er
den Sammlern unter uns fremdländische
Briefmarken mitbringt. Gern erzählt er uns vom
spanischen Stierkampf und verteidigt ihn mit
stolzer Heftigkeit. Als er einmal den Klassenraum
betritt, befinde ich mich gerade unter
dem Lehrerpult, und bleibe auch, kühner geworden,
darunter, bis er mit seinen Beinen an mich stößt.
Er tadelt mich dafür, scheint mir aber nicht ernstlich
böse zu sein.
Ich
weiß nicht mehr, ob ich unter dem Pult etwas suchte oder vor einem
Wurfgeschoß in Deckung gegangen war. Wie auch immer,
es entwickelte sich dann so etwas wie eine körpernahe
gefährliche Begegnung in einer Arena.
Bei der Schilderung
unseres Sportunterrichts fällt mir wieder ein, daß „Leo” eine
Zeitlang auch unser Schwimmlehrer
war. Statt uns Anfänger im Nichtschwimmerbecken
nichtsnutzige Übungen machen zu lassen, erlaubt er uns
dort Wasserballspiele.
*
Zwei
oder drei Jahre lang ist Studienassessor „HAMMER”
unser Erdkundelehrer,
ein schon ergrauter dicklicher und rotbäckiger Mann um die
Mitte 30, der oft in einem rotbraunen Ledermantel erscheint.
Einer der Studienräte erklärt uns einmal,
daß „Kollege Hemrich”, der wieder einmal gar nicht mit
uns zu Rande kam, als Soldat in Stalingrad(?)
Schlimmes durchgemacht habe. Von „Hammer” selbst
erfahren wir nur, daß sein Frontabschnitt an dem
Tag, als Hitler ihn besuchte, „wie eine Eins” allen
Angriffen standgehalten hätte.
Fast jeder von uns
macht sich über ihn lustig, und einige Schüler, zu denen ich
gehöre, geben ihm dreiste Antworten und erlauben
sich Dinge, die bei anderen Lehrern undenkbar wären. So
werfen wir ihm und seinem Auto, das er mit einer
lächerlichen Plane zuzudecken pflegt,
Schneebälle nach, wenn er im Schleichtempo nach Hause,
das heißt zurück zu seiner Mutter fährt. Als er mit einem
neuen Motorroller daherkommt, wird ihm bald hinterhergerufen:
„Ist der Roller bezahlt?” (Melodie nach der bekannten
Erinnerung an die Rundfunkgebühr). Im
Unterricht legt er sich immer wieder ungeschickt mit
einzelnen Schülern an, blickt sie – auch mich – mißtrauisch,
feindselig oder haßerfüllt an, trägt sie sodann ins
Klassenbuch ein (einige meiner Zeugnisse verbuchen
jeweils mehrere „Tadel”) oder zückt sein Notizbüchlein
und verkündet
genüßlich seine Rachenote. Ein
solches Verhalten kenne ich eigentlich
nur von anderen Kindern.
Zwei
Klassenkameraden entsannen sich Jahrzehnte später noch eines
kleinen „sadistischen Tricks” dieses Pädagogen:
Halb versteckt hielt er einen Rohrstock
im Jackenärmel, den er dann, um einem Schüler einen Stoß zu
versetzen, rasch herausfahren ließ. Mir
dämmert so etwas, doch habe ich es selbst wohl nie erleiden
müssen.
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