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Heinz Nowak 1957/58
(*um 1916 †1993)


1967 im Schlafanzug. „Soldaten müssen zu Bette gehn ...”
(Photo von Gerhard Dotzauer)

Quellen: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 48)

www.max-behrendt.de/jahrgang/bilder/lehrer/gross/nowak-heinz-1969.jpg  


MUSIK



Bis zur Mittelstufe ist Herr Nowak unser Musiklehrer. Wie in „Kunst” und „Sport” geht es hier wohltuend entspannter und mit den Jah­ren im­mer läs­si­ger als im übrigen Un­ter­richt zu. Dafür aber werden diese Fächer nicht recht ernst­ge­nom­­men, wenn über die Ver­setzung ei­nes ge­fähr­de­ten Schü­lers entschieden wird. Dieser Lehrer ist in meinem Er­in­ne­rungs­bild vielleicht Mitte drei­ßig, läßt sein dunkles Haar in die Stirn hängen und raucht in den Pau­­sen Zi­ga­ril­los. Uns jün­ge­re Schüler spricht er freund­­­schaft­lich und die äl­teren durchweg kum­pel­haft an, wird aber so­gleich ener­gisch, wenn er sich als Di­ri­gent mal diesen, mal je­nen Teil des Schulchors vor­nimmt. Ver­mut­lich schon in der Sex­ta prüft und ver­pflich­­tet er mich für den „Chor”: In einer Un­ter­richts­stun­de läßt er einen Schü­ler nach dem an­de­ren auf dem Kla­vier vor­ge­spielte Notenabfolgen nach­sin­gen; ich ge­be mein Be­stes, wer­de daraufhin als „So­pran” ein­ge­stuft und ha­be von nun an, ohne daß ich mich da­zu be­reit er­klärt hätte, an den Chor­pro­ben teil­zu­neh­men, die ein­mal wö­chent­lich in einer an­ge­häng­ten Schul­stun­de statt­fin­den.


Zwischen den Proben läßt er uns manchmal ein er­hei­tern­des Lied­chen sin­gen, so die Parodie: „Wem Gott will rech­te Gunst er­wei­sen/ Den schickt er in die Wurst­fa­brik,/ Und läßt ihn in 'ne Knackwurst beißen ...”. Amü­sant finde ich auch Mo­zarts „Lie­ber Frei­städt­ler, lie­ber Gau­li-Mau­li” so­wie das al­te Sol­datenlied „Wir ka­men vor Friaul,/ Da hat­ten wir al­le­samt voll das Maul,/ Stram­pe­demi .../ Al­lah gib Pro­zen­te/ Und zehn Jahr Ga­ran­tie” <letz­te­res war wohl eine zu­sätzli­che schü­ler­in­terne Par­odie>. Oder er läßt uns nach Art ei­nes Zap­fen­streichs ab­singen: Solda­ten müs­sen zu Bet­te gehn./ Und nicht so lange mit den Mäd­chen stehn./ Zu Bett, zu Bett, zu Bett.” Ge­le­gent­lich er­zählt er uns von sei­ner Sol­da­ten­zeit an der Ost­front, doch sind mir die­se eher lu­stigen Episoden ent­fal­len. Saß er nicht in Pan­zern oder Flug­zeu­gen, gar wie mein Vater als Fun­ker?

Überhaupt hat er mich jetzt einige Male von fern an mei­nen Vater erin­nert. Es dürfte vor allem an seinem ge­bro­che­nen Ver­hal­tens­stil lie­gen, an der jo­vi­a­len und beinahe di­stanz­lo­sen Art, in der er sich mit uns unter­hielt, um schlag­ar­tig wie­der die straf­fe kom­man­die­ren­de Hal­tung des Di­rigenten ein­zu­neh­men. Übri­gens ver­teilte auch er Ohr­fei­gen, doch relativ sel­ten und so, daß ich es ak­­zep­tie­ren konn­te.

 

Als Chorleiter studiert unser Musiklehrer in der Sexta oder Quinta mona­telang mit uns den ‚Struw­wel­pe­ter’-Zyklus ein, aus dem ich noch die Kern­stel­len so ziem­lich aller Episoden hersingen kann. Unser mit ihm be­freun­de­ter Kunst­leh­rer arbeitet der­weil im Hin­ter­grund des Zeichen­saals an einem mehrere Meter hohen Öl­ge­mäl­de des Struw­wel­pe­ters, das dann bei den zwei oder drei Auf­füh­run­gen, die wir zur Weihnachtszeit un­ter anderem in einem Al­ters­heim ge­ben, aufgestellt wird.

   Eines Tages begeben wir uns zu einem nahgelegenen Fried­hof und singen bei der Beerdigung eines Mit­schü­lers. Es ist si­cher­lich je­ner Schü­ler, dessen frü­hen Tod un­ser Deutschlehrer Dr. Linnartz so beklagt hatte. Bei den Abi­turs­fei­ern tra­gen wir au­ßer dem „Ge­leit”-Lied auch wie­der­holt den Chor „Wacht auf!” <aus den ‚Mei­stersin­gern’> vor. Wir ha­ben uns da­zu im Mu­sik­saal auf­ge­stellt, des­sen hintere Schie­be­wand zur da­ne­ben­lie­gen­den Turnhalle hin ge­öff­net ist. Drun­ten sit­zen sie in lan­­gen und brei­ten Stuhl­rei­hen; Kü­bel mit Lor­beer­bäum­­­chen(?) ste­hen ne­ben dem Po­di­um, an dem der Di­rek­tor, El­tern­vertreter und ei­ner der Abi­tu­ri­en­ten An­spra­chen halten.


Der mir bis zur Oberprima drohende „Chor”-Besuch wird mir immer lä­stiger. Ihn einfach zu schwänzen, geht nicht, da dieser Mu­sik­leh­rer unse­re Anwesenheit je­des­mal überprüft. Doch irgendwie schaffe ich es end­lich, da­von frei­zu­kom­men, habe aber ei­ni­ge Zeit da­nach ar­ge Be­fürch­tungen, in Musik noch nachträg­lich geprüft zu wer­den, da ich nun auch dem re­gu­lä­ren Un­ter­richt oft fern­ge­blie­ben war.


P.S. 2014: Herr Nowak wechselte später auf das Theodor-Heuss-Gymnasium in Dinslaken, wo er auch als Kreis­kir­chen­mu­sik­rat wirkte.

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