Quelle für beide Photos: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 54)
MATHEMATIK
Während
ich in der Grundschule für „Rechnen” immer die Note „gut” erhielt, bin ich in Mathematik binnen kurzem auf „mangelhaft” abgestürzt. Als hierfür
Mitverantwortliche fallen mir
nach einigem Entsinnen zwei
für mich ineinanderfließende
Lehrergestalten
ein, von denen die eine von den Schülern „Stipp”, die
andere „Wupp” genannt wird. Zusammen ergeben sie ein
dürres altes Männchen mit hellblondem
Resthaar, zierlicher Brille und Hörapparat.
Hinter seinem Rücken machen wir Schüler dreiste Späße,
doch wehrt sich dieses Männlein noch: Schlägt es nicht
mit einem Stock oder Lineal auf die hinzuhaltende
Hand? Und zieht es dem Sünder auch kräftig am Ohr oder
verteilt es lieber Kopfnüsse?
Mein
alter Klassenkamerad Willi konnte Mitte der 90er Jahre die eine
Person als „STIPP”
identifizieren; sie habe ein Hörgerät
getragen und „etwas Liebliches” an sich
gehabt.
Mein
anderer Mitschüler Gerd schrieb mir: „Er ... war schwerhörig
und hatte ein riesiges Hörgerät in der Brusttasche seines Anzugs.
Er hatte mich als damaligen Klassensprecher immer wieder zu
<Schuldirektor> Lorenz geschleppt, weil seiner Meinung
nach in der Klasse ständig ‚gemurmelt’ wurde.
Er meinte damit den Höllenlärm, den wir in seinen
Mathestunden verursachten.” Seinen Hörschaden
hatte Herr Höltges als Kriegsfreiwilliger im 1. Weltkrieg
erlitten.- Laut Personalblatt
unterrichtete er seit 1928 in Sterkrade, und zwar
neben Mathematik auch Physik und Chemie.
*
Nachdem
mir nun „Stipp” deutlicher wurde, hat sich mir zugleich sein
Mitbruder „WUPP”
klarer von ihm abgetrennt. Er kommt mir bedeutend
energischer vor, doch vom Jackett bis in die Gesichtsfarbe als eine
Gestalt grau in grau.
Herr
Hirschberg unterrichtete auch Biologie, soll öfter mit dem
Rohrstock zugeschlagen und sich wie unser anderer
Biologielehrer Dr. Kienapfel bis
1945 gern in
SA-Uniform
gezeigt
haben. - 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und wurde
1916 Reserveleutnant (s. seinen Personalbogen
von 1927). Seit 1927 unterrichtete er an unserem Gymnasium; nach
Bombardierungen unserer Schule und ihrer
Schließung im Sommer 1943 leitete Herr Hirschberg in Böhmen
und Mähren das Sterkrader Schülerlager
der KLV
(„Kinderlandverschickung”).
1944/45 wurden dort übrigens „alle Lehrer und die über 14
Jahre alten Schüler zum Volkssturm eingezogen”,
kamen aber glücklicherweise nicht zum Einsatz (S. 19 der oben
zitierten ,Festschrift').
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