Quelle für beide Photos: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 48)
BIOLOGIE
Hierin
unterrichtet uns zunächst „Minna”, eine rundliche grauhaarige
unverheiratete Frau, die altmodische dunkle Blusen und Kleider
trägt. Sie ist die einzige Studienrätin an unserem Gymnasium. Ihre
Unterrichtsthemen und Hausaufgaben lähmen mich geradezu:
Andauernd sollen wir irgendwelche Stempel, Pollen und Blütenstände
auswendig hersagen oder zeichnen, mitunter auch Gräschen
sammeln und aufkleben. Das alles ist ja dermaßen langweilig!
Aus
einem Jahrzehnte später angefertigten Bericht der Fachschaft Biologie
über das von MINNA und anderen hinterlassene Arbeitsmaterial:
Die
im Sammlungsraum (4x3m) vorhandenen Materialien (Einmachgläser
und Co) stammen zum überwiegenden Teil aus der Küche und beglückten
wahrscheinlich schon mehrere Schülergenerationen ... Es
existierten immerhin acht Lichtmikroskope mit Spiegelbeleuchtung,
entsprechende Objektträger und Deckgläschen. Etliche
Herbarien und Sammlungen von Zeitungsausschnitten und losen
Buchseiten, sowie ein eingelegter Bandwurm und Nierensteine
zeugten vom Fleiß und vom Sammlertrieb der an der Schule
unterrichtenden Kollegen und besonders einer Kollegin, die mit
nahezu männlicher Hand und einem gewissen Drang zur systematischen
Biologie sowie naturgegebener Strenge in der Sammlung Ordnung
gehalten hatte ... Glanzstücke dieser Sammlung von Präparaten
waren und sind heute noch ein Elefantenfuß, ein menschliches Skelett
und das Pferdebein." (Ulrike Kirschall in: 'Festschrift zum
100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums',
Oberhausen 2005, S. 103. - Auf S. 18 findet sich dort der Hinweis, daß
im März 1942 die "Sammlungsräume der Chemie und Biologie durch Bomben zerstört" wurden und im September 1942 auch die "Physik-Sammlung".
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Nach
„Minna” oder abwechselnd mit ihr unterrichtet uns Dr. Kienapfel, der, wie ich
im Lauf der Zeit erfahre, ein „Regierungsrat” und bekannter
Nazifunktionär gewesen sein soll. Das ruhige selbstbewußte Auftreten
dieses gedrungenen glatzköpfigen und in meiner Erinnerung
braungebrannten<!> Mannes hat etwas Majestätisches, auch die
Nüchternheit, mit der er seine Ohrfeigen verteilt – beim
Zahnarztsohn Wolfgang immer „mit schönem Gruß an den Vater”. Und
ganz gelassen erklärt er uns, daß junge Soldaten
selbstverständlich immer auch Huren zu ihrer Verfügung haben
müßten. Das Fach Biologie oder zumindest die Pflanzenkunde scheint
ihm nicht so am Herzen zu liegen. Er hält sich jedenfalls öfter an
die Zoologie, und so ist denn auch seine Person für mich undeutlich mit
dem Löwen aus ‚Schmeils Tierkunde’ assoziiert.
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