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Herr Dr. L. (*1911) Schulleiter 1954-1974


Quelle: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 23)  



Über unseren Direktor erfahre ich übrigens auch in der Mit­tel- und Oberstufe kaum mehr als zuvor (vgl. S. 26f.). Als er nun ein­mal vor dem Hauptportal mit dem Sämann-Relief ein Grüppchen von uns beim Schneeballwerfen überrascht, ruft er dem ei­nen un­ter uns, der ein Jahr vor uns bald das Abi­tur machen soll, zu, daß er an seiner geistigen Reife er­heb­lich zwei­feln müs­se. Wo­chen oder Monate höre ich, daß der betreffende Schüler (Uli F.) bei den Prüfungen tat­säc­h­lich in gro­­­ße Be­dräng­nis ge­ra­ten wä­re. Wäh­rend mei­­ner letz­­ten Schul­zeit neh­men ei­ni­ge mei­ner Klas­sen­ka­me­ra­den wie Udo, Nor­bert und Wim am Grie­chisch­un­ter­richt teil, den un­ser Di­rek­tor zu ge­ben pflegt. Lange noch klingt mir das aus ihrer Lektüre der Anabasis' des So­kra­tes-Schü­lers Xe­no­­phon aufgeschnappte „Thalatta! Thalatta!” nach, die­ser Freu­­de­ruf der nach vielen Gefechten und gro­ßen Stra­pa­zen von Mesopotamien her endlich ans Meer gelangten grie­chi­schen Söldner.

Ihr Freuderuf stand für mich wohl insgeheim für uns zwölf, die wir uns bis zum Abitur durchgeschlagen hatten und mach­te mich sehn­süch­tig nach dieser Sprache, deren An­fangs­grün­de ich denn auch bald für das Philosophiestudium in einem Kom­pakt­kurs er­lern­te.

 
In mein Tagebuch notierte ich zum 14.12.64, dem ersten Tag des Schriftlichen Abiturs:

Füh­le mich auf dem Weg zur Schule nicht allzu wohl, mache ei­nen Um­weg und gehe über den Schulhof des Mäd­chen­gym­na­si­ums; kaufe mir noch eine Cola. – Die Klasse steht schon war­tend da: ‚fahle Ova­le‘ <ein scherzendes Grußwort von mir?>. In den Saal für ‚Kunst­er­zie­hung’, wo Egon und der Di­rek­­tor uns erwarten ... <Direk­tor> L. setzt uns zunächst von ei­ni­gen For­mal­i­en in Kennt­nis: wie wir das Papier zu be­­schrei­­ben haben; was mit denen geschieht, die beim Be­trü­gen erwischt werden. So­fort da­nach for­dert er uns auf, all das beiseite zu stellen, was wir für die Arbeit nicht be­nö­ti­gen ... Dann öffnet er das Schrei­ben mit den The­men, über­reicht es Egon und verläßt uns.”


Wie er seinen Appell plazierte und vortrug, war sehr geschickt und beeindruckend. Nur seelisch-geistig wirklich Hart­ge­sot­te­ne hät­ten dem widerstehen können!

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