Quelle: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 23)
Über
unseren Direktor erfahre ich übrigens auch in der Mittel- und
Oberstufe kaum mehr als zuvor (vgl. S. 26f.). Als er nun einmal
vor dem Hauptportal mit dem Sämann-Relief ein Grüppchen von uns
beim Schneeballwerfen überrascht, ruft er dem einen unter
uns, der ein Jahr vor uns bald das Abitur machen soll, zu, daß
er an seiner geistigen Reife erheblich zweifeln
müsse. Wochen oder Monate höre ich, daß der betreffende
Schüler (Uli F.) bei den Prüfungen tatsächlich in
große Bedrängnis geraten wäre.
Während meiner letzten Schulzeit
nehmen einige meiner Klassenkameraden
wie Udo, Norbert und Wim am Griechischunterricht
teil, den unser Direktor zu geben pflegt. Lange
noch klingt mir das aus ihrer Lektüre der ‚Anabasis'
des Sokrates-Schülers Xenophon
aufgeschnappte „Thalatta! Thalatta!” nach, dieser
Freuderuf der nach vielen Gefechten und großen
Strapazen von Mesopotamien her endlich ans Meer gelangten
griechischen Söldner.
Ihr Freuderuf
stand für mich wohl insgeheim für uns zwölf, die wir uns
bis zum Abitur durchgeschlagen hatten und machte mich
sehnsüchtig nach dieser Sprache, deren Anfangsgründe
ich denn auch bald für das Philosophiestudium in einem Kompaktkurs
erlernte.
In
mein Tagebuch notierte ich zum 14.12.64, dem ersten Tag des
Schriftlichen Abiturs:
„Fühle
mich auf dem Weg zur Schule nicht allzu wohl, mache einen Umweg
und gehe über den Schulhof des Mädchengymnasiums;
kaufe mir noch eine Cola. – Die Klasse steht schon wartend da:
‚fahle Ovale‘ <ein scherzendes Grußwort von mir?>. In
den Saal für ‚Kunsterziehung’, wo Egon und der
Direktor uns erwarten ... <Direktor> L.
setzt uns zunächst von einigen Formalien in
Kenntnis: wie wir das Papier zu beschreiben
haben; was mit denen geschieht, die beim Betrügen erwischt
werden. Sofort danach fordert er uns auf, all das
beiseite zu stellen, was wir für die Arbeit nicht benötigen
... Dann öffnet er das Schreiben mit den Themen,
überreicht es Egon und verläßt uns.”
Wie
er seinen Appell plazierte und vortrug, war sehr geschickt und
beeindruckend. Nur seelisch-geistig wirklich Hartgesottene
hätten dem widerstehen können!
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