Home
Impressum
Ruth Fleigs Galerie
Schulkinder malen
Kritzel-Kratzel
Horst Fleigs Texte
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
Alt-Walsum 1951-53
OB-Holten 1953-55
OB-Sterkrade 1955-65
Unterstufe H.F. 1-27
Mittel-u.Oberstufe
Gymn. Links u. Fotos



Herr P. alias „PIEFKE” (*1914 †2000)
1965 „beim Faustballspiel gegen eine Schülermannschaft” (Photo von G. Dotzauer)
Quelle: http://bi.schraven-net.de/su/fvs60/FVS60J-f0007.htm         


Gymnasiale Mittel- und Oberstufe („ ... spielt gerne Opposition
)

 


Die einst bedrohliche Überlegenheit der Lehrer, die einen mit ih­ren unerklärlichen und unerschöpflichen Wis­sens­vor­rä­ten voll­zu­stop­fen suchten, ist schon zu Beginn der Mittelstufe weithin ge­bro­chen. Rasch machen wir ein­an­der auf die Schwä­chen und Ab­son­derlichkeiten der neuen Pauker aufmerksam; außerdem be­herr­sche ich nun ge­wis­se Schum­mel­techniken, mit denen ich mich ohne größere Anstrengungen über Wasser halten kann. Als ich im Früh­jahr 1958 (mit 13 Jah­ren) wegen „mangelhafter” No­ten in Latein und Mathematik die Quarta wiederholen muß, kom­me ich zu­sam­men mit einem halben Dutzend Leidensgenossen in die Klasse von „Piefke”, der uns in Ma­the­ma­tik und eine Zeit­lang auch in Physik unterrichtet.

   Ungefähr 40 Jahre alt, klein, sorgfältig gescheitelt, tritt er mir mit Brille und Strickweste als eine der Gestalten vor Augen, die mir von den Witzseiten der Revuen her als Schalter- oder Fi­nanz­be­amte geläufig sind. Trotz jener Ka­me­ra­den emp­fin­de ich mich in seiner Klasse noch lange Zeit als Fremdling; in Anrede, Lob und Tadel un­ter­schei­det er merk­lich zwischen uns Neu­an­kömm­lin­gen und den Seinen, was mir besonders an seiner täg­li­chen Übung auf­geht, zu Be­ginn des Un­terrichts, als wäre es eine Mor­gen­an­dacht, die Klasse mit dem Großen Einmaleins kopf­rech­nen zu las­sen. Wo un­sereins noch wirklich zu rechnen hat, kom­men bei ihnen, zu „Piefkes” Behagen, die Er­geb­nis­se nur so her­aus­ge­schos­sen. Um so überraschender, als er sich eines Tages so gar nicht als der ma­the­ma­ti­sche Pe­dant, für den ich ihn hal­te, verhält und mich sehr dafür lobt, daß ich bei einer um­strit­te­nen Sa­che auf mei­ner An­sicht beharrt habe. Worum mag es ge­gan­gen sein? Vermutlich um meine Weigerung, weiterhin am Schul­got­tes­dienst teil­zu­neh­men.

Danach scheine ich mich auch für Mathematik und Physik ein we­nig erwärmt zu haben, verbessere mich jedenfalls bis zum Ende der Un­tertertia (Frühjahr 1960) von Jahr zu Jahr in den Zeug­nis­noten.

Monate vor dem Abitur spricht „Piefke” mich auf dem Schulhof an und fragt wie erstaunt: „So weit bist du schon?” Und er­kun­digt sich nach meinen Studienplänen. Wochen später begleitet er uns – laut Ta­ge­buch am 16.10.64 – auf einem Werks­be­such bei der Ober­hau­se­ner HOAG. Als ich nach dem abschließenden Mit­tag­es­sen meinen Man­tel nehme, erhebt er sich vom Tisch und schüttelt mir mit fei­er­li­chen Worten, wunderlich bewegt, die Hand.

   Ich habe jetzt den Eindruck gewonnen, daß er sich während jener letz­ten Wochen seine Gedanken über den Zu­sam­men­hang zwischen mei­nem Studienziel Philosophie und meinem frühen rel­i­gi­ons­kri­ti­schen Bekenntnis gemacht hat­te.


- 28 -
Weiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/