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Mein
Widerstand in diesem Schulsystem war nicht offen, sondern subversiv
und paradox. Wie ich mich dem Lernstoff
weithin entzog und mich dann doch auf die
geisteswissenschaftlichen Angebote stürzte,
in denen sich ein kritisches Potential
abzeichnete, so beteiligte ich mich nach meinem
Austritt aus der evangelischen Kirche weiterhin am
Religionsunterricht, um die religiösen
Praktiken und Doktrinen nur um so begründeter ablehnen zu
können. An dieser Schule war das beinahe schon eine
Provokation, nicht nur in den Debatten mit „Egon” und in dem nur
trocken von ihm begrüßten Aufsatz ‚Luthers Streit
mit Erasmus über den freien Willen’, sondern auch bei der
letzten Gelegenheit, mich als Schüler gründlicher zu
äußern, nämlich bei der Deutscharbeit fürs Abitur. Ihr
Thema, Goethes ‚Iphigenie’ und die Humanität, spannte ich
meiner Vorüberlegung geistesgeschichtlich weit
genug, um über Camus’ ‚Mythos von Sisyphus’ auch
mein den Humanitätsgedanken krönendes „atheistisches”
Credo ins Spiel bringen zu können.
Unmut und
Kritik in unserer Schülerzeitung vorzubringen, hielt ich für
aussichtslos und regte nur die eine oder andere Glosse an,
so den Hinweis auf das „Blut-und- Boden”-Gemälde im
Schulflur und auch, wie mir scheinen will, die erzählerisch
fingierte Nachricht von Wim (3/63), wonach jemand die
Inschrift „Deo musis patriae” über unserem
Schulportal umformuliert hätte („hominibus musis” hatte ich
einmal vorgeschlagen). Mein einziger Beitrag
zu unserer Schülerzeitung (in Heft 3/63) war dort
ziemlich deplaziert, gab sich mit dem Thema ‚Gedanken
über die Existenzphilosophie’ so, als
wäre dieser Unterprimaner allen schulischen Nöten und Belangen
längst entkommen.
Lehnte
ich in diesen kritisch referierenden ‚Gedanken’ angebliche
Existentialien wie den Tod als lebensbestimmende
Gewalt und die „Angst” als Grundbefindlichkeit zugunsten
eines Plädoyers für Vernunft und Verantwortungsethik
ab, so sprach ich in meinem nächsten größeren und selbständigeren
Aufsatz, meiner philosophischen „Jahresarbeit”
von 1964, über die Willensfreiheit, dem Menschen diese Freiheit und
damit die Möglichkeit einer
„persönlichen Schuld” ab; dadurch werde
allerdings eine Ethik, die der Vernunft verpflichtet sei,
überhaupt nicht in Frage gestellt, im Gegenteil,
ethisch sei geradezu die Determinierung individuellen Verhaltens
durch überpersönliche
Vernunftgründe.
Als
zusammengehörige zeigen die beiden Aufsätze einen ausgesprochen
janusköpfigen Charakter: Zum einen die
Abwendung von der Vergangenheit als Lossagung von jeder persönlichen
„Schuld”, und das heißt, im schulischen Kontext, als
stoische Hinnahme all meiner Unterlassungen,
Täuschungen und Schludrigkeiten. Zum anderen die Hoffnung
oder trotzige Zuversicht, dank des nun in mir entwickelten
Vernünftig-Allgemeinen aus dieser Serie von
Niederlagen noch selbst hinauszufinden. Ein
jugendlicher Elan, der, ohne den lästigen schuldigen
Respekt vor Tod und allen Gewissensskrupeln,
sich eine eigene lebenstüchtige Existenzphilosophie
zurechtgedacht hatte.
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