Quelle: http://fvs-galerie.schraven-net.de/
Noch
während des Klingelzeichens zum Ende der Stunde können und wollen
wir es uns bei einigen Lehrern erlauben, Bücher
und Hefte sofort zuzuklappen, eben noch hinhörend, was uns der
Betreffende mit erhöhter Stimme als
notdürftige Abrundung anbietet oder an Hausaufgaben
mit auf den Weg gibt. In der Regel geben wir zwar sogleich
erste Anzeichen des Aufbruchs, lösen uns vom Text und
richten uns auf, folgen aber noch einigermaßen höflich
den letzten Ausführungen. Bei dem einen
oder anderen gestrengeren Studienrat haben
wir uns so zu verhalten, als hätte es gar nicht geklingelt,
sollen mit konzentrierter Miene bei der Sache bleiben, bis
wir endlich, manchmal erst nach Minuten, förmlich
entlassen werden.
In den
kleinen Pausen bleiben wir in den Klassenräumen. Wenn ich nicht
gerade fieberhaft meine Hausaufgaben für eine
der folgenden Stunden fertigzustellen habe,
beteilige ich mich gern an den üblichen Späßchen:
Mit dem kreidigen oder auch nassen Schwamm werfen wir auf
einander und schießen mit Gummiringen
Papierkrampen ab, spielen mit dem Schwamm oder einem
Bällchen aus Silberpapier Fußball, lassen Papierschwalben
durchs Klassenzimmer fliegen oder sehen vergnügt
zu, wie jemand eine Karikatur auf die Wandtafel zeichnet – am
besten auf die Innenseiten, was beim späteren
Aufklappen während des Unterrichts einen lustigen
Überraschungseffekt
verspricht. Es bleibt fast immer so harmlos. Einmal
nur scheint ein Mitschüler jemandem Reißzwecken
auf den Stuhl gelegt zu haben, und ein- oder zweimal
schlägt ein Schüler heftig auf einen anderen ein.
Fröhlich
beschwingt geht es nach draußen in die große Pause, wo auch ich oft
ausgelassen umherspringe. Wir Schüler
der Unterstufe halten uns meist auf dem kleineren
seitlichen Schulhof auf, der „unserem”, mit einer
Eule (der Minerva?) verzierten Eingangsportal
gegenüberliegt. Der aufsichtführende Studienrat
duldet in der Regel kleinere Fangspiele oder
„Bockspringen”, manchmal auch Schlinderbahnen,
verfolgt aber die Werfer von Schneebällen. Nach dem
Klingelzeichen zum Ende der Pause stellen
wir Unterstufenschüler uns vor dem Eulen-Portal auf, wohl
klassenweise und in Zweierreihen. Ein
Lehrer erwartet uns schon auf der obersten
Treppenstufe und läßt uns dann kolonnenweise
zu den Klassenzimmern abmarschieren.
Die älteren Schüler benutzen den Nebeneingang
beim Fahrradkeller und stellen sich nur noch in
lockerer Gruppierung auf.
Unter
Anleitung unseres Klassenlehrers, der aus Ostdeutschland geflohen
war, stellen wir in der Weihnachtszeit Geschenkpakete
mit Bohnenkaffee, Orangen, Schokolade und anderen
Sachen zusammen, die wir von unseren Eltern als Spende
erbeten hatten. Zusammen mit einem
Klassenkameraden liefere ich kurz vor
Heiligabend ein Paket bei einer Frau ab, die mit ihrer
Familie neben vielen anderen noch in dem riesigen
Hochbunker meines Chemiefabrikstädtchens
wohnt. Mich beeindruckt die Art, wie die dunkelhaarige
verhärmte Frau unsere Gabe ohne jede Regung und ohne
Dankeswort entgegennimmt.
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