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Herr Dr. S. (Karikatur von Wim in unserer Schülerzeitschrift ‘Der Kreisel’ 1/1962)

Leh­rerschaft zu­sam­­men. Auf die gleiche na­tür­liche Weise soll sich die SMV an unserer Schule ent­wickeln, ohne Zwang. Die Lehrer sind be­­­reit, jede Hilfe zu leisten, die von den Schü­lern gewünscht wird.”

   Gewiß, dies sind Formulierungen meines Mitschü­lers, und doch do­kumentieren sie einen klö­ster­lichen Ana­chro­nis­mus, der nur zu gut zu den öfter zu vernehmen­den Beschwörungen ei­nes christlich-abend­ländischen Kul­tur­auf­trags paß­­te und der, entgegen dem pauschalen Hilfs­ange­bot, kraß versagen muß­­te, wenn ein­mal so au­ßer­ge­wöhn­li­che Schü­ler wie die er­wähn­­ten beiden Aus­reißer, die dann von der Schule verwiesen wurden, ihrer gei­sti­gen Un­bot­­mäßig­keit wegen in Schwie­rig­kei­ten geraten wa­ren. Weit schlimmer aber war die an­ony­­me, nur in spä­te­ren Sta­ti­sti­ken bekannt gewor­dene Vertrei­bung hun­der­­ter von Schülern von un­serem Gymnasium. Der Ter­ror der No­ten­ge­bung über­zog besonders die Unter- und Mit­tel­stufe der­art epi­de­misch mit „mangelhaften” und „un­ge­nü­gen­den” Zen­su­ren, daß in man­chem Jahr jeder fünfte oder vierte einer Klas­se verlorenging. Ich entsinne mich noch, wie ich (laut Ta­ge­buch am 9.12.64) einen ‚Spiegel’-Artikel las, der unse­rer Schu­le unter allen deut­schen Gym­na­si­en ei­nen Spit­zen­platz bei der „Sit­zenbleiber”-Quote nachwies und speziell von mei­­ner ehe­ma­li­gen „Sexta a” be­rich­te­te: „1955 wa­ren es noch 33 Schül­er, 1964 nur noch ei­ner” (ein einzi­ger ­von ungefähr 70 Schü­lern der beiden Sex­ten schaff­te den di­rek­ten Weg bis zum Abi­tur, das heißt ohne sitzengeblie­ben oder auf ein anderes Gym­na­si­um ge­wech­selt zu sein).

 

Über dem Beitrag von Udo ist eine auf den ersten Blick re­spekt­voll­e Porträtzeichnung von Wim plaziert. Sie zeigt Dr. L. überl­e­bens­groß, als pädagogische Justitia, die in der Rech­ten un­­se­re Schule und in der Linken ihre Waag­scha­le parat hält. In der Gestaltung der Waag­scha­le dieses Gerechten kann man frei­lich auch das tendenziöse christ­li­che Kreuz er­bli­cken. Und we­nig Erfreuliches mag einem die Physiognomie des damals 50­jäh­rigen ver­hei­ßen, ei­ne Art Totenschädel mit annähernd mu­mi­en­haften Zügen, geschmückt von einem pedantisch knap­­pen Haar­schnitt. Zu­sam­men mit dem überenergischem Kinn und dem hin­weg­ge­wan­dten Blick ist dies die Schreck­ge­stalt eines Pä­da­go­gen, eben die eines Totenrichters, der trotz sei­ner akkuraten Lachfältchen die Existenzen mas­sen­haft ab­ur­teilt. Doch kann man nicht in sei­nen Zügen noch einen über­aus strebsamen und Mitleid erregenden Sex­ta­ner er­ken­nen?

   Zu seinem Auftreten bei den Abiturprüfungen vgl. S. 66.


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