Lehrerschaft
zusammen. Auf die gleiche natürliche Weise
soll sich die SMV an unserer Schule entwickeln, ohne Zwang. Die
Lehrer sind bereit, jede Hilfe zu leisten, die von den
Schülern gewünscht wird.”
Gewiß,
dies sind Formulierungen meines Mitschülers, und doch
dokumentieren sie einen klösterlichen
Anachronismus, der nur zu gut zu den öfter zu
vernehmenden Beschwörungen eines
christlich-abendländischen Kulturauftrags
paßte und der, entgegen dem pauschalen Hilfsangebot,
kraß versagen mußte, wenn einmal so
außergewöhnliche Schüler wie die
erwähnten beiden Ausreißer, die dann von der
Schule verwiesen wurden, ihrer geistigen Unbotmäßigkeit
wegen in Schwierigkeiten geraten waren. Weit
schlimmer aber war die anonyme, nur in späteren
Statistiken bekannt gewordene Vertreibung
hunderter von Schülern von unserem Gymnasium.
Der Terror der Notengebung überzog
besonders die Unter- und Mittelstufe derart
epidemisch mit „mangelhaften” und „ungenügenden”
Zensuren, daß in manchem Jahr jeder fünfte oder
vierte einer Klasse verlorenging. Ich entsinne mich noch, wie
ich (laut Tagebuch am 9.12.64) einen ‚Spiegel’-Artikel
las, der unserer Schule unter allen deutschen
Gymnasien einen Spitzenplatz bei der
„Sitzenbleiber”-Quote nachwies und speziell von meiner
ehemaligen „Sexta a” berichtete:
„1955 waren es noch 33 Schüler, 1964 nur noch einer”
(ein einziger von ungefähr 70 Schülern der beiden
Sexten schaffte den direkten Weg bis zum Abitur,
das heißt ohne sitzengeblieben oder auf ein anderes
Gymnasium gewechselt zu sein).
Über dem
Beitrag von Udo ist eine auf den ersten Blick respektvolle
Porträtzeichnung von Wim plaziert. Sie zeigt Dr. L.
überlebensgroß, als pädagogische Justitia, die in
der Rechten unsere Schule und in der Linken ihre
Waagschale parat hält. In der Gestaltung der Waagschale
dieses Gerechten kann man freilich auch das tendenziöse
christliche Kreuz erblicken. Und wenig
Erfreuliches mag einem die Physiognomie des damals 50jährigen
verheißen, eine Art Totenschädel mit annähernd
mumienhaften Zügen, geschmückt von einem pedantisch
knappen Haarschnitt. Zusammen mit dem
überenergischem Kinn und dem hinweggewandten
Blick ist dies die Schreckgestalt eines Pädagogen,
eben die eines Totenrichters, der trotz seiner akkuraten
Lachfältchen die Existenzen massenhaft aburteilt.
Doch kann man nicht in seinen Zügen noch einen überaus
strebsamen und Mitleid erregenden Sextaner erkennen?
Zu
seinem Auftreten bei den Abiturprüfungen vgl. S. 66.
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