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Rektor Hermann Schneiders


 

Ein musischer Sadist (Schulrektor)

 


Im 3. und 4. Schuljahr, nach den Osterferien 1953 bis Ostern '55 ist Rektor Schnei­ders mein Klas­sen­leh­rer. Er ist groß, massig und fleischig, kann aber un­be­merkt sei­nen Platz verlassen und immer wieder einen von uns bei et­was Ver­bo­te­nem er­tappen. Mit seinem lei­sen Lä­cheln kommt er mir zunächst gut­mü­tig vor, bis zu se­hen ist, daß er zu­gleich scharf und lauernd unter seinen bu­­­schi­­gen Brau­en Aus­schau hält. Wenn er, wie so oft, je­­­man­­­dem mit dem Rohrstock auf die vor­ge­streck­te Hand schlägt, behält er die­ses Lä­cheln bei. Besonders gern scheint er sich einen der schwä­che­ren und klein­sten Mit­schü­ler vor­zu­neh­men, ruft ihn, auch wenn er ihn so­gleich be­stra­fen wird, mit einer Verkleinerungsform sei­nes Nach­na­mens auf, die wie „klei­nes Scheißerchen” klingt.

Dieser ehemalige Mitschüler stimmte um 1990 meiner Ver­­mu­­tung zu, daß unser Rek­tor, von dem er oft ge­prü­gelt oder mit Abschreibearbeiten bestraft worden wäre, sei­ne Freu­de beim Verabreichen solcher Schläge ge­habt hät­te. Einer mei­ner Pfadfin­der­ka­me­ra­den, der den Rektor noch aus spä­te­ren Jahren kannte, be­zeich­ne­te ihn als heim­tü­ckisch und den unangenehmsten aller Lehrer, der auch auf die Schü­ler der ge­gen­über­lie­gen­den ka­tho­li­schen Schu­le ein­zuschlagen pfleg­te. Sein „Lächeln” sei nur ein mas­ken­haft star­rer Ge­sichts­aus­druck ge­we­sen. Eine ehe­ma­li­ge katholi­sche Schü­le­rin er­zähl­te mir, wie er zu ihr her­über­kam, sie will­kür­lich ir­gend­ei­nes Ver­gehens be­zich­tig­te und ihr auf der Stelle eine Stra­fe gab; und eine an­­de­re, wie er ihr ohne wei­te­re Fra­gen ins Ge­sicht schlug, als sie auf dem Schulhof Ka­stanien sam­mel­te.


Meinem Bruder und dessen Freund machte der Rektor ein­­mal den absurden Vor­wurf, auf einer Wiese ein Pferd an­­ge­­sto­­chen zu haben. Als mein Bruder daraufhin auf ei­nen im Trep­pen­flur aushängenden Stundenplan „Schnei­ders, du Asch­­loch!” schrieb, dik­tierte dieser einige Zeit spä­ter der Klas­se eine Rechenaufgabe des In­halts, daß ein Asch­ei­mer ein Asch­loch mit soundsoviel Zentimetern Durch­mes­ser ha­be; eine Aufga­be, die er als Hand­schrif­ten­pro­be be­nutz­te und so meinen Bruder überführen konn­te.


Warum nur gebe ich all dies wieder? Brauche ich es immer noch für meine Empö­rung über das, was er mir ge­gen En­de des 4. Schuljahres an­tun wird? Und wie steht es um die Aus­­kunft, die ich 1976 von einer älteren Ca­fé­wir­tin er­hielt, daß dieser Mann einst als So­zi­al­de­mo­krat von den Na­zis ver­­folgt worden war? Kann der Ge­dan­ke, daß sein spä­te­res Ver­hal­ten et­wa als „Iden­tifikation mit dem Ag­gres­sor” er­klär­bar wäre und er ge­wis­ser­ma­ßen Ge­sta­po­me­tho­den ver­­in­­ner­­licht hätte, meinen Groll noch be­sänftigen? Schwer­­­lich.


Dieser unser Rektor, der uns einst das wunderschöne ost­preu­ßi­sche Lied „Es dunkelt schon in der Heide” bei­brach­te, kam selber aus Ostpreußen und soll als 89jähriger um 1992 – wieder dorthin zu seiner Tochter ge­zo­gen sein.

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