Quellen: http://power-of-youth.org/wp-content/uploads/2011/08/ChinaDailyfront.jpg Guy Delisle, 'Shenzhen' (München 2011), S. 73 www.madametussauds.com/SiteImages/Assets/1/MTSH_Zhou_img_02.jpg
Kanton
ist das Zentrum der Sonderwirtschaftszone
Guandong, und so
können wir uns durch Presse und TV deutlich besser informieren als
auf unseren bisherigen Reisestationen.
Zum ersten Mal auch brachte uns ein Hotelpage eine Zeitung aufs
Zimmer, die regierungsnahe 'China
Daily'.
Seit Anfang der 1980er Jahre für interessierte
englischkundige Chinesen und vor allem für 'Laowai' (Ausländer)
bestimmt, hat man ihr doch offenbar mehr Spielraum als den
meisten anderen Zeitungen eingeräumt. Auf
der ersten Seite ist so heute die für das Land wenig
erbauliche Nachricht zu lesen, daß etliche
südchinesische Betriebe schließen
mußten, da ihre Produkte wegen überproportional
gestiegener Lohnkosten nicht mehr abzusetzen
wären. Und auf der Wirtschaftsseite lautet eine
Prognose, daß 2011/12 das Wachstum der Volksrepublik
China weiterhin schrumpfen werde.
Die 20 bis 30
TV-Programme,
die wir Ausländer bislang zumindest in den 4-Sterne-Hotels empfangen
konnten, erinnerten mich wiederholt an mein Grausen bei Betrachten
italienischer TV-Sendungen zu Beginn der Berlusconi-Ära. Moderatoren
sind häufig junge Entertainer, die soeben einem
Beauty-Style-Wettbewerb entkommen sein könnten
und einem meist alberne Shows, Dating-Shows (Chinas
"Männerüberschuß"!) und Quiz-Sendungen
vorsetzen, dies im ständigen Wechsel mit der
internationalen Pest der Commercials.
Nachrichtensendungen gibt es auch, sogar solche mit
europäischen oder amerikanischen Kommentatoren,
deren Unabhängigkeit man aber nicht über den
Weg trauen mag. Bei den spärlich ausgestrahlten
Kulturveranstaltungen wird gern auf ein wohl ausgesuchtes
älteres und zufrieden applaudierendes
Publikum zurückgeschnitten, das überwiegend festlich
gekleidet dasitzt. Mitunter stehen auch
Mediationsgespräche zwischen
Ehepartnern und anderen Personen auf dem Programm; dies überrascht
insofern, als doch die traditionelle Praxis der Mediation
der Wahrung des Gesichtsverlusts durch nichtöffentliche
Regelung von Streitigkeiten dienen soll. Der
Hauptzweck solcher Veranstaltungen dürfte daher eher der sein,
volkspädagogisch eine Normendiskussion
inmitten des rasanten sozialen Wandels in China in Gang zu halten.
Ein
lebhaft-amüsiertes Vergnügen des Publikums registrierte ich
eigentlich nur bei dem im Mienen- und offenbar auch
Wortspiel extravaganten Stand-Up-Comedian
Zhou Libo. Und ein
einzigesmal nur in meinen vielleicht 15 Zapping-Stunden in
China stieß ich auf eine Dokumentation über
die Dritte Welt (Afrika), während beinahe täglich
Dokumentationen oder Spielfilme zu den
Gräueln während des Zweiten Japanisch-Chinesischen
Krieges 1937-45 zu sehen sind.
P.S.
März 2013: Auf
der genannten Wirtschaftsseite von 'China
Daily' war noch
die Schlagzeile zu lesen: "TV regulation may hurt profits".
Es ging hier um die Anzahl und Länge der
Entertainement-Sendungen und Seifenopern, die wegen mangelnder
Qualität eingeschränkt werden müßten zugunsten von
Nachrichtensendungen und Dokumentationen
sowie - mit gemischten Gefühlen zu lesen - einem
"Moral-Education"-Programm.
Tatsächlich soll seit Anfang 2012 weithin ein entsprechender
Programmwechsel zu konstatieren sein. Viele Chinesen freilich
widersetzen sich schon seit längerer Zeit solchen obrigkeitlichen
Verordnungen, indem sie trotz Verbots
Satellitenschüsseln
für Sender aus Hongkong und Taiwan installieren. Und als jüngst ein
Fernsehsender aus Hongkong blockiert werden
sollte, mußte die Verwaltung dies nach Protesten der Kantoneser
Bevölkerung bald wieder aufgeben.
Für
die Printmedien
zeichnet sich trotz gelegentlicher Absetzungen unbotmäßiger
Chefredakteure eine ähnliche Entwicklung ab. Als im Januar 2013
Beijinger Zensoren wegen angeblicher
Nichtbeachtung der neuen moralischen Richtlinien gegen die
einflußreiche liberale Kantoneser Wochenzeitschrift
'Southern
Weekley' vorgehen
wollten, widersetzten sich deren Redakteure erfolgreich durch offene
Protestbriefe und Streiks. Dabei wurden sie - auch durch
verschlüsselte Solidaritätsbekundungen - von anderen
Redaktionen unterstützt.
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