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Herr S. 1962 (Karikatur von Wim)

Lektüre in der Tertia

So bin ich wirklich erleichtert, dank der geistesgegenwärtigen Ver­hand­lung mit „Charly” nicht in die Mündliche Ma­the­ma­tik­prü­fung zu müssen, zu un­heim­lich sind mir doch die in den Jah­ren entstandenen Wis­senslücken. Geprüft werde ich dafür in den Fächern Deutsch und Französisch, weil ich bei­de­mal mit der schriftlichen Arbeit nicht zum vorskizzierten Ende kam. Lag es dort in der Sa­che, so hier an der Person unseres Fran­zö­sisch­leh­­rers.


Als Studienassessor kommt Her S. schon in der (späten?) Mit­tel­stu­fe zu uns und unterrichtet uns zuerst in Englisch. Schier end­los ist unsere Lektüre ei­ner Erzählung namens ‚Je­re­my’, und ähnlich ergeht es uns mit Oscar Wildes ‚The Canterville Ghost’. In sei­nem Eifer, sich ein elitäres Profil zu geben, iro­ni­siert er die sportlichen Erfolge unseres Mitschülers Heribert mit dem Hin­­weis auf des­sen Schwä­che in anderen Fächern oder lädt nur die Klas­sen­be­sten zu sich nach Hause ein. Bis zuletzt kann er sich nicht von sei­ner Ner­vo­si­tät und Be­sorgnis lösen und deu­tet öfter an, daß wir im Fran­zö­si­schen fürs Abi­tur immer noch nicht firm ge­nug sei­en. Da­bei gibt er sich Mühe und scheint im­mer gut vorbereitet zu sein, läßt uns aber noch in der Ober­pri­ma in merk­wür­di­ger Ängst­lich­keit die Texte bis zum Überdruß durch­­käu­en und von Zeit zu Zeit auch längst schon erledigte gram­­ma­ti­sche Fra­gen wie­der­ho­len.

   Als es endlich so weit ist, im Schriftlichen Abitur, haben wir wirk­lich mit einem ungewöhnlich schwierigen Nach­er­zäh­lungs­text fer­tig zu wer­den. Schwie­rig aber eigentlich nur deshalb, weil er es jetzt nicht über sich bringt, wie bislang üblich und auch für die Schrift­li­che Eng­lisch­prüfung prak­ti­ziert, die uns un­be­kann­ten Vokabeln komplett an die Tafel zu schreiben und zu er­läu­tern. Als ich dies bei der Ver­le­sung der Nach­erzählung be­mer­ke, bin ich dar­über so auf­gebracht, daß ich streckenweise nicht mehr kon­zen­triert zu­zu­hö­ren vermag und mir statt des­sen Gedanken über diesen Hoch­mut oder die­se Be­flis­sen­heit auf unsere Kosten ma­che. Mein Klas­sen­ka­merad Klaus fragt mich nachher, warum ich so merkwürdig abwesend aus dem Fen­ster ge­starrt hät­te. – In der münd­li­che Prü­fung be­kom­me ich einen Passus aus Zolas ‚Germinalvorgesetzt. Es ist dann un­ser Englischlehrer Dr. B., der sei­nem mich im­mer wei­ter exa­mi­nie­ren­den Kollegen zu verstehen geben muß, daß es nun ge­nug sei.


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