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HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
Alt-Walsum 1951-53
OB-Holten 1953-55
OB-Sterkrade 1955-65
VI Germanistisches

Beitrag von Herrn H. in ‘Nordrhein-Westfalens Gesamtschulen. Planung und Verwirklichung’. Hannover 1971 (S. 128-139)

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Gut zwei Jahrzehnte nach dem Abitur stattete ich unserem letzten Klassenlehrer „Egon” ei­nen Besuch ab und über­reich­te ihm dabei mein jüngstes Buch über den ‚Literarischen Vam­pi­ris­mus’ Klingemans, über den Verfasser des er­sten „ni­hi­li­stisch”-atheistischen Buchs der Mo­der­ne! Das sollte wirklich keine provokative Geste sein, setzte aber in der Sa­che oh­ne wei­te­res unsere damaligen Streit­ge­sprä­che fort. Auch glaubte mein Lehrer sich diesmal wieder mit sanf­tem Ta­del gegen eine entsprechend despektierliche Be­mer­kung von mir verwahren zu müssen.

    Ich hatte mich nicht angemeldet, klingelte einfach an seiner Haustür und brachte mich in Er­in­ne­rung. Er schien doch stärker er­freut als überrascht zu sein und bemerkte beim Ab­schied, daß ein solch unangemeldeter Besuch im Grun­de das beste sei. Seine Frau ver­sorg­te uns mit Kaffee und Kuchen und ließ uns dann allein. Er war seit ei­ni­gen Jah­ren pen­sioniert und hatte zuletzt die erste Ge­samt­schu­le in NRW (im benachbarten Stadtteil Osterfeld) ge­lei­tet. Mei­nen Aus­füh­rungen zum damaligen, mich besonders in der Un­ter­stu­fe so be­drü­cken­den Sterkrader Schul­le­ben wi­der­sprach er nicht und äußerte sich auch nicht zu einzelnen Kol­le­gen. Wie bald deut­lich wur­de, konn­te er sich an be­stimm­te Ereignisse in unserer Klasse und an meine Mitschüler nur noch vage erinnern, hatte er es doch, wie er dann selbst er­klär­te, seitdem mit hunderten anderer Schüler zu tun gehabt. Aus meiner Klasse ha­be ihn seit dem Abi­tur nur noch Wim wie­der be­sucht, ungefähr zwei Jahre vor mir.


Wir sprachen von gleich zu gleich. Und doch durchschwebte unser Gespräch der Geist unseres alten Lehrer-Schü­ler-Ver­hält­nisses – als Respekt, den man nicht abschütteln möchte, weil er den eigenen Freiheitssinn und auch den Groß­mut des anderen, ohne den er sich nicht hätte entfalten können, in Erinnerung behält.


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