Quelle: www.fvsg-ob.de/71.html
Jene
Rahmenbedingungen, insbesondere die Zeitvorgaben, änderten sich
schlagartig mit Beginn des Studiums, und schon Monate nach dem Abitur
wurden meine schriftlichen Arbeiten statt mit der alten Dauernote
„ausreichend” durchweg mit „sehr gut” bewertet. Was
mich nicht im geringsten verwunderte und von mir nicht einmal
als Genugtuung empfunden wurde, sondern schlicht als
Selbstverständlichkeit.
Hätte
man diesen Zeitdruck nicht schon in der Oberstufe von uns nehmen
können, indem man uns statt der „Klassenarbeiten” das
eine oder andere komplexere Thema auch zu Hause schreiben ließ?
Möglich war dies damals nur für Referate in den Wahl- und
Randfächern wie Philosophie und Gemeinschaftskunde sowie für die
„Jahresarbeit” vor dem Abitur. Schriftliche
„Hausarbeiten” hingegen waren in ihrem Problem- und auch
Lösungsniveau weithin genormt und schon wegen
ihrer stundenweisen Fälligkeit auf keine nennenswerte Vertiefung hin
angelegt. Wie zu sehen, ging es meinem Deutschlehrer
jedoch nicht nur um das Fragmentarische meiner Aufsätze. Sie waren
ihm auch „zu kritisch” in dem Sinne, daß ich die
schriftliche Aufgabenstellung als solche nicht annahm, sondern
sogleich einer begrifflichen Analyse unterzog, die der
Untersuchung eine eigene, von ihm und dem
Unterrichtsprogramm so nicht intendierte Richtung
geben mußte. Ein Eigensinn, der sich in dieser
Intellektualität erst in der Oberstufe herausbilden
konnte, im Grunde aber nur eine andere Erscheinungsform jener
Mentalität war, die schon ungefähr im
elfjährigen Quintaner Gestalt annahm, in meiner trotzigen Gewißheit
nämlich, die Sache eigentlich besser verstanden
zu haben oder doch verstehen zu können als der mich abfragende
unzufriedene Lehrer. Und ist es nicht so, daß dieser
Existenzkampf gegen die Schülerrolle, gegen die
Subordination unter ein vorgegebenes Problemniveau,
kaum jemals ausgestanden ist?
- 45 -