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RUTH FLEIGS GALERIE
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Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
Alt-Walsum 1951-53
OB-Holten 1953-55
OB-Sterkrade 1955-65
VI Germanistisches



Scherzhaft-sophistische Fangfrage während des Philosophieunterrichts von mir
und zweifach negierte Antwort von Wim (auf einem Löschblatt)
  

23.9.64: „Egon gibt mir den Aufsatz, der ihm zweifellos Kum­mer bereitet hat, wieder zurück: ‚ausreichend’; sagt, er sei je­der­zeit bereit, mit mir da­rü­ber zu reden (und ich erst!). Bin immer noch aufgewühlt: etwa das Phi­lo­so­phie­stu­di­um auf­ge­ben? ... Wim akzeptiert mei­ne Bitte, mit ihm um 19 Uhr über die Ar­beit zu diskutieren ... zu ihm; an­fänglich ver­steht er den Auf­satz nicht; kann ihm auch nicht den lo­gi­schen Ab­lauf erklären; er geht zum Es­sen, kommt zurück; nach und nach ver­steht er; macht mir Mut, z.B. wolle er <auch> mei­ne künf­ti­gen Schrif­ten ver­ste­hen; ist bereit, Egon den Auf­satz zu er­klä­ren; sagt: Ich wäre froh, diesen ‚ausreichenden’ Aufsatz an­stel­le mei­nes eige­nen ‚guten’ ge­schrie­ben zu ha­ben.”

   3.10.: Lese Ruth meinen Deutschaufsatz vor; ist of­fen­sicht­lich beeindruckt von meiner Manier, ein solches The­ma an­zu­ge­hen und sagt: ‚An dei­ner Stelle würde ich mir die Arbeit aufheben.’”

   Gleichwohl habe ich den Aufsatz, der vielleicht wieder zu­rück­ge­for­dert wurde, nicht aufbewahrt und weiß so nicht ein­mal mehr das The­ma.


Der andere Deutschaufsatz befaßte sich laut Tagebuch mit einem „Text­ver­gleich zwischen Hölderlin: ‚Der deutsche Na­ti­o­nal­cha­rak­ter’ und Kant: ‚Über die Deutschen’”.

   24.11.: Im Philosophieunterricht spreche ich mich gegen die un­kri­ti­sche Übernahme von Begriffen aus. „Egon stimmt mir zu, weist aber auf die Gefahr hin, zu kritisch zu sein. ‚Eine Ge­fahr, die Sie in Ih­rem letz­ten Aufsatz vermieden ha­ben ... Das ist jetzt der richtige Weg.’ ‚Das se­he ich aber et­was an­ders, denn ich halte den vorletzten Auf­satz für weit bes­ser.’ ‚Ich nicht; übrigens müssen Sie ein Lob nicht nur deshalb ab­wei­sen, weil es von an­de­ren kommt.Ich kann nicht um­hin, zu lä­cheln.”

   7.12.: „Erhalten die Deutschaufsätze zurück: ‚ausreichend. ‚Hätten Sie auch noch den Schlußteil anfangen können, wä­ren Sie min­de­stens auf ‚be­frie­di­gendgekommenusw. ... Kann mich darüber nicht mehr auf­re­gen, bin schon zu oft ent­täuscht wor­den. ... Wim liest den Aufsatz und be­merkt: ‚Deiner hat einen eher wissenschaftlichen Cha­rakter als mei­ner.(Fei­ner Kerl, ein weiteres Mal habe ich ihm zu danken!) An dem, was er sagt, ist etwas: Das ist nicht die nor­ma­le Art zu schrei­ben, ich muß erst alles be­grifflich definieren und, ehe ich Beispiele liefere, Un­klar­hei­ten und Vag­hei­ten be­sei­ti­gen; was in der Tat wissenschaftlich ist, mir aber nicht erlaubt, recht­zei­tig fert­ig­zuwer­den. Egon weist auch dar­auf hin: ‚Was Sie schrei­ben, ist völlig überzeugend, doch müssen Sie zu einem Ende kom­men.’”


*


An dem schon zitierten SPIEGEL-Artikel vom Dezember 1964 erregte mich laut Tagebuch mehr noch als die un­glaub­li­che Sit­zen­blei­ber-Quote spe­zi­ell am Sterkrader Gymnasium die offenbar allgemein verbreitete willkürliche Be­no­tung von Deutsch­auf­sät­zen in der Ober­stu­fe. Der Tübinger Ober­stu­di­en­di­rek­tor Robert Ulshöfer ließ näm­lich da­mals ei­nen leich­ter zu beurteilendenAbi­tur­auf­satz von 42 Oberstufen-Kollegen durchsehen. Er­geb­nis: ein­mal die 1, sechs­mal die 2, zwölf­mal die 3, siebenmal die 4, 14mal die 5, zwei­mal die 6(vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/print/­d-46176317.­html).

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