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Gut
zwei Jahrzehnte nach dem Abitur stattete ich unserem letzten
Klassenlehrer „Egon” Hebel einen Besuch ab und überreichte
ihm dabei mein jüngstes Buch über den ‚Literarischen
Vampirismus’ Klingemans, über den Verfasser des
ersten „nihilistisch”-atheistischen
Buchs der Moderne! Das sollte wirklich keine provokative
Geste sein, setzte aber in der Sache ohne weiteres
unsere damaligen Streitgespräche fort. Auch glaubte
mein Lehrer sich diesmal wieder mit sanftem Tadel gegen
eine entsprechend despektierliche Bemerkung
von mir verwahren zu müssen.
Ich
hatte mich nicht angemeldet, klingelte einfach an seiner Haustür und
brachte mich in Erinnerung. Er schien doch stärker
erfreut als überrascht zu sein und bemerkte beim Abschied,
daß ein solch unangemeldeter Besuch im Grunde das beste
sei. Seine Frau versorgte uns mit Kaffee und Kuchen
und ließ uns dann allein. Er war seit einigen Jahren
pensioniert und hatte 1969-77
in Oberhausen-Osterfeld die erste Gesamtschule in NRW
geleitet (vgl. die ‚Festschrift'
der Schule).
Meinen Ausführungen zum damaligen, mich
besonders in der Unterstufe so bedrückenden
Sterkrader Schulleben widersprach er
nicht und äußerte sich auch nicht zu einzelnen
Kollegen. Wie bald deutlich wurde, konnte er
sich an bestimmte Ereignisse in unserer Klasse
und an meine Mitschüler nur noch vage erinnern, hatte er es doch,
wie er dann selbst erklärte, seitdem mit hunderten
anderer Schüler zu tun gehabt. Aus meiner Klasse habe
ihn seit dem Abitur nur noch Wim Wenders wieder besucht,
ungefähr zwei Jahre vor mir.
Wir
sprachen von gleich zu gleich. Und doch durchschwebte unser Gespräch
der Geist unseres alten Lehrer-Schüler-Verhältnisses
– als Respekt, den man nicht abschütteln möchte, weil er den
eigenen Freiheitssinn und auch den Großmut des anderen,
ohne den er sich nicht hätte entfalten können, in Erinnerung
behält.
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