Quelle: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 48)
Herr
Hebel, der für mich wichtigste Lehrer seit der späten
Mittelstufe, unterrichtet uns in gleich drei
geistesgeschichtlichen Kernfächern,
in Deutsch, evangelischer „Religionslehre” und
Philosophie. Ich kenne ihn schon seit langem als Prediger
beim evangelischen Schulgottesdienst und als
Betreuer unserer Schülerbücherei, die
im Keller hinter der Ausgabestelle für die „Schülermilch” untergebracht ist. Beim
Eingang dasitzend, neben sich den Gehstock, den
er als Kriegsversehrter benötigt, führt er
hier öfter persönlich die Aufsicht. Sein
Langmut und milder Sarkasmus beeindrucken sogar
meinen rabiaten Mitschüler Klaus, der ihn
einmal als „herzensgut” bezeichnet. Dabei läßt
uns „Egon” nicht etwa bequem in Ruhe und Frieden,
vielmehr ist er in der Mittelstufe hartnäckig hinter
unseren Schwächen und Unarten her und teilt weitaus
mehr Tadel als Lob aus. Doch alles ist dosiert und
aufgeheitert durch eine Diktion, in der
Verärgerung, Bekümmerung und
Resignation kaum auseinanderzuhalten
sind. Sein Tadel wirkt so nie feindselig wie bei so
manch anderem, auch dann nicht, wenn ihm bei einer
dreisteren Aktion einer seiner „Gesellen” mal
der Kragen platzt.
In
unserer „Bierzeitung” vom Frühjahr 1962 finden sich einige
seiner Lieblingswendungen mitsamt seiner stockend-lakonischen
Redeweise:
„Sicht-e-lich
angeheitert e-heute.”
„Wie e-leicht man Euch kind-e-liche Charaktere e-doch erfreuen
e-kann.”
„Grinst e-da wie ein Honigkuchen-e-pferd.”
„Einfach e-lächerlich, e-das e-Ganze!”
„e-Wollen doch e-nicht unverschämt e-werden!”
„Un-e-höflicher
e-Patron!” ...
„ ... Schlot, elender!”
Eine
derart persönlich zugespitzte Attacke blieb jedoch die Ausnahme.
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