Quelle für beide Photos: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 48)
BIOLOGIE
Hierin unterrichtet
uns zunächst „Minna”, eine rundliche
grauhaarige unverheiratete Frau, die altmodische
dunkle Blusen und Kleider trägt. Sie ist die
einzige Studienrätin an unserem Gymnasium. Ihre
Unterrichtsthemen und Hausaufgaben
lähmen mich geradezu: Andauernd
sollen wir irgendwelche Stempel, Pollen und
Blütenstände auswendig hersagen oder
zeichnen, mitunter auch Gräschen
sammeln und aufkleben. Das alles ist ja
dermaßen langweilig!
Nach „Minna”
oder abwechselnd mit ihr unterrichtet uns Dr. K., der, wie ich im
Lauf der Zeit erfahre, ein „Regierungsrat”
und bekannter Nazifunktionär gewesen sein soll.
Das ruhige selbstbewußte Auftreten dieses gedrungenen
glatzköpfigen und in meiner Erinnerung
braungebrannten<!> Mannes hat etwas
Majestätisches, auch die Nüchternheit, mit der er
seine Ohrfeigen verteilt – beim Zahnarztsohn
Wolfgang immer „mit schönem Gruß an den Vater”.
Und ganz gelassen erklärt er uns, daß junge Soldaten
selbstverständlich immer auch Huren zu ihrer
Verfügung haben müßten. Das Fach Biologie
oder zumindest die Pflanzenkunde scheint ihm nicht so am
Herzen zu liegen. Er hält sich jedenfalls öfter an
die Zoologie, und so ist denn auch seine Person für mich undeutlich
mit dem Löwen aus ‚Schmeils Tierkunde’
assoziiert.
*
Aus einem
Jahrzehnte später angefertigten Bericht der Fachschaft
Biologie über das von MINNA und anderen hinterlassene
Arbeitsmaterial:
Die
im Sammlungsraum (4x3m) vorhandenen Materialien
(Einmachgläser und Co) stammen zum
überwiegenden Teil aus der Küche und
beglückten wahrscheinlich schon mehrere
Schülergenerationen ... Es existierten
immerhin acht Lichtmikroskope mit Spiegelbeleuchtung,
entsprechende Objektträger und
Deckgläschen. Etliche Herbarien und
Sammlungen von Zeitungsausschnitten und
losen Buchseiten, sowie ein eingelegter
Bandwurm und Nierensteine zeugten vom Fleiß und vom
Sammlertrieb der an der Schule unterrichtenden
Kollegen und besonders einer Kollegin, die
mit nahezu männlicher Hand und einem gewissen Drang zur
systematischen Biologie sowie
naturgegebener Strenge in der Sammlung Ordnung
gehalten hatte ... Glanzstücke dieser Sammlung
von Präparaten waren und sind heute noch
ein Elefantenfuß, ein menschliches Skelett und das
Pferdebein." (Ulrike Kirschall in: 'Festschrift
zum 100-jährigen Jubiläum des
Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums', Oberhausen 2005, S. 103)
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