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Quelle: http://stud3.tuwien.ac.at/~e9625624/nbilder/kopf_m_t.gif



Lehrpersonal und Fächer

 


LATEIN und nichts sonst gibt uns von der Sexta bis zur Quar­ta unser Klas­sen­lehrer Doktor S., ein hagerer und na­he­zu kahlköpfiger Mann mit rand­lo­ser Bril­le. Er ist um die vier­zig, spricht leise, mit sachlich-ernster Miene und wird erst entschiedener, wenn er zugleich in eine wie ver­gnüg­li­che, wit­zi­ge und manchmal auch offen iro­ni­sche Sprech­wei­se fällt, um sich über uns zu bekla­gen. Sein Lieb­­lings­wort beim Tadeln ist „hane­bü­chen”. Im­mer wie­der hält er uns mangelnden Fleiß vor und ver­weist da­bei wie­der­holt auf die Schüler der Sowjetzone, die jetzt so un­heimlich viel lern­ten und uns dar­um später einmal überlegen sein wür­­den. Wir er­fah­ren bald, daß er ein so­genannter Zo­nen­flücht­ling ist.

   Meine überaus mißtrauische Mutter verdächtigte ihn Jah­re später der Spi­o­na­ge, als er sich öfter mit dem Fahr­rad bei uns am Bahnhof einfand und auf je­man­den zu war­ten schien. Sicherlich lag es auch daran und nicht nur an sei­ner so ähn­li­chen Statur und seinen im folgenden be­schrie­­be­nen Tricks und Gebärden, daß Dr. S. für mich insgeheim zu einem na­hen Ver­wand­ten des maschinenhaften Gei­­stes­­­men­­schen Nick Knat­ter­ton wur­de. Dies ging mir al­ler­dings erst bei einer genaueren Ana­ly­se die­ses her­um­spio­nie­ren­den Comic-Detektivs auf.


Bei blöden, auswendig zu lernenden Regeln bietet er uns in launiger Hei­ter­keit manchmal eine „Eselsbrücke” an und läßt uns eine solche Lernhilfe einmal so eindrücklich ab­sin­gen, daß ich sie bis heute behalten habe: „a und ab, e ex und de, cum und sine, pro und prae: mit Ablativ” (die vier letzten Sil­ben in Baß­lage). Seine Be­mer­kung: „Man muß nicht alles wissen, aber wis­sen, wo man es finden kann”, irritiert und erfreut mich dann, ist mir doch, als soll­te sich dieser Rat auch gegen den Pauk­unterricht rich­ten, von dem selbst er uns nicht be­frei­en kann. Ein­mal trägt er uns zur Erläuterung von „philoso­phus” die fol­gen­de Defi­nition vor: „Ein Phi­lo­soph ist ein Den­ker, der über das Denken nachdenkt.” Das klingt ja raffiniert! Es deu­tet auf einen Bereich weit jen­seits all un­se­rer Lern­stof­fe hin, et­was Geistiges, das bei ihm selbst zu ver­spüren ist, wenn es auch öfter spa­ßig erscheint oder so unbeholfen wie bei seiner Geste, uns mit dünnen schwächlichen Be­we­gun­gen vor­zu­ma­chen, wie die Rö­mer mit ihren Schwer­tern hantiert hätten – wobei er uns wohl die Wen­­dung „gla­di­is stric­tis” („mit g­ezück­ten Schwer­tern”) erklärt. Ze­re­mo­ni­ell und ungekonnt zugleich kommen mir auch die Schlä­ge vor, die er aus­nahms­wei­se ein­mal aus­teilt, als er auf einem Schul­ausflug in ein Wäld­chen unseren Mit­schü­ler Klaus C., der ver­bo­te­ner­wei­se einen Baum er­­klet­tert hatte, übers Knie legt.


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