Quelle: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 26)
„Egon”
weiß in etwa, was ich von der Religion
halte,
ist aber bereit und fähig, sich auch unbequemen Fragen zu
stellen, so daß ich an seinem Unterricht weiterhin freiwillig bis
zum Abitur teilnehme. Auch bei dem katholischen
Religionslehrer „Lumpi”, einem Jesuiten(?), darf ich
hospitieren, doch belasse ich es bei einer Schnupperstunde,
zumal hier zu meinem Befremden zu Unterrichtsbeginn
noch gebetet wird. Später erfahre ich, daß er so manchen
Schüler auf alle erdenkliche Weise schikanierte.
„Egon”
nun erwähnt einige Male sein Marburger Theologiestudium,
im Zusammenhang nämlich mit Hochschullehrern wie
Bultmann und Barth, deren wie verschwörerisch bekundete
antinazistische Haltung ihn als Studenten
sehr beeindruckt hätte. Von dieser „Dialektischen
Theologie” hat er sich den Gottesbegriff eines
„totaliter aliter” zu eigen gemacht, auf den er sich auch
wiederholt zurückzieht, als ich ihm oder bestimmten
theologischen Argumentationen
Inkonsequenz und Paradoxie vorwerfe.
Mein Tagebuch
aus den letzten Monaten vor dem Schriftlichen Abitur erwähnt
noch mein Referat ‚Luthers Streit mit Erasmus über den freien
Willen’, das ich am 28.11.64 verlesen hätte: „Ein ,
zweimal muß ich einen Satz wiederholen; ansonsten scheint die
Klasse alles verstanden zu haben. Egon hört aufmerksam zu
und dankt mir schließlich. Seine Reaktion enttäuscht mich ein
wenig, wenn ich die Zeit bedenke, die ich hierauf verwendet habe;
ich verstehe nicht, warum er mich nicht stärker loben mag ...”
Die
Woche zuvor hatte ich den Aufsatz Ruth vorgelesen und bemerkt,
daß ich ihn für meine Hörer noch einmal umschreiben
müßte. Von der Unterrichtsstunde selbst ist mir
noch deutlich vor Augen, wie
„Egon”, den Kopf
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