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Luftbild von Oberhausen-Holten (um 1970): Hinter der ev. Kirche oben links die kath. Bruchschule und rechts ge­gen­über, unterhalb des außenliegenden Kastells, die ev. Schloßschule
Quelle: www.alfred-ulrich-lindemann.de/Kalender/PDF/Apr96.pdf



Zu einigen Unterrichtsstunden bei Rektor Hermann Schneiders



Ich fühle mich durch ihn nicht bedroht, bleibe aufmerksam und werde als einer der bes­se­ren Schüler von ihm in Ruhe ge­las­sen. Überraschen kann er mich nur das eine Mal, als er unsere Schultornister ausräumen läßt. Doch scheine ich nichts Ver­bo­te­nes mit mir ge­führt zu haben.


In „Heimatkunde” zeichnen wir auf durchgepausten <oder hektographier­ten?> Deutsch­land­kar­ten die Flüsse, Städte und Ge­bir­ge mit blauen, ro­ten und braunen Stif­ten ein und schrei­ben ihre Namen hinzu.


Der Rektor bringt uns viele Volkslieder bei, darunter: „Die Luft ist blau, das Tal ist grün”; „Zwischen Berg und tiefem, tie­fem Tal”; „Hoch auf dem gel­ben Wagen”. So man­ches dieser Lieder zieht mich aus dem Unterricht hinweg in seine ei­ge­ne At­mo­sphä­re. Da­ge­gen müs­sen wir bei Kanons wie „Froh zu sein bedarf es wenig” und „Abend­stil­le über­all” stän­dig auf­pas­sen, daß wir unsere Einsätze genau hin­be­kom­men. Singen wir nicht ei­ne Zeit­lang zu Be­ginn des Un­ter­richts „Je­den Mor­gen geht die Son­ne auf”?


- Nur ausnahmsweise wie bei dem Goethelied „Ich ging im Walde so für mich hin” merkt er einmal etwas zum Text an. Und re­det eindrücklich über das Lied von den Lei­ne­we­bern, die man nicht verachten darf. Ich nehme es mir zu Herzen und den­ke da­bei auch an die Klas­sen­ka­me­ra­den, die ich nach meinem Übergang auf die höhere Schule bald zu­rück­las­sen wer­de. Das mir sehr zu­sa­gen­de Lied „Die Gedanken sind frei” beziehe ich auf der Stel­le auf diesen tyrannischen Rek­tor, fra­ge mich aber gleich da­nach, ob nicht auch er sich dies hätte denken können.


Als ich im Herbst 1953 von ei­nem mehrwöchigen Erholungsurlaub von Wyk auf Föhr zu­rück in den Unterricht komme, ha­ben mei­ne Klas­sen­ka­me­ra­den inzwischen das „Kleine Ein­mal­eins” erlernt und führen nun dem Rektor ihre neuen Kün­ste vor. Ich kann nicht fol­gen und füh­le mich über­gan­gen, ja hintergangen. Dann aber, am näch­sten Sonntag, ho­le ich al­les nach, und zwar perf­ekt und in ei­nem mir un­­be­­kann­­ten Hochgefühl.

Meine erste größere Aufholjagd in rauschhaft vorangetriebener Arbeit. Ähn­lich kon­zen­triert und euphorisch werde ich mir erst wie­der mit 17, 18 Jahren et­was aneig­nen, als ich mich nach all den verbummelten Gymnasi­aljahren auf die Texte der Phil­o­so­phie stür­­ze.


Eine neuangekommene(?) Schülerin mit weißblondem Haar wird vom Rektor auf­­ge­for­dert, ein Lied aus ihrer Heimat vor­zu­sin­gen. Sie hat sich we­ni­ge Schritte vor uns hin­ge­stellt und singt nun mit schöner fester Stim­me: „Die­sen Weg, die­sen Weg bin ich oft ge­gan­gen, Vög­lein sangen Lieder. Nur nach dir, nur nach dir, hab ich ein Ver­­lan­­gen, Thü­rin­ger Wald, nur nach dir! ...”


Der Rektor will wissen, was das Wort „unsympathisch” bedeutet. Ein Mäd­chen mel­det sich und sagt, daß man einen sol­chen Men­schen nicht leiden kann.

Wa­rum habe ich nur diese Frage behalten? Ich bin mir sicher, daß ich damals nicht an den Fra­ge­stel­ler dachte, sondern nur lei­se für mich an der rich­ti­gen Ant­wort formu­lier­te. Im Lauf der Zeit muß ich ihn demnach insgeheim mit diesem Wort iden­ti­fi­ziert ha­ben.


Voll des Lobes spricht er über den „Weltspartag” und den „Muttertag”. Zum „Re­for­­ma­tions­tag” wer­den wir zusammen mit an­de­ren Klas­sen die fast schnur­ge­ra­de Kastellstra­ße hin­un­ter zum Ki­no ge­führt, wo wir uns einen Schwarz-Weiß-Film über Mar­tin Lu­ther an­se­hen.


Manchmal zeigt uns der Rektor auch im Unterricht einen Kurzfilm.

Zu diesen Filmen vgl. S. 7-10 der Homepage-Rubrik  Film und Kindheit’.


Und schließlich erinnere ich mich noch an fröhliche Stunde bei ihm ein: Es scheint noch zu schneien, als wir aus dem Unterricht hinaus in den Schnee dür­fen und seitlich hinter der Schule einen oder mehrere Schneemän­ner bauen.


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