Glaubensstreit
um die Existenz des „Osterhasen”
Nach
der katholischen Dorfschule komme ich nun, gegen Ende des 2.
Schuljahres, am neuen Wohnort in eine evangelische
Schule. Meine Klassenlehrerin, „Fräulein Bender”, ist schon
älter, grauhaarig und rundlich wie meine Oma. Sie trägt eine
beinahe randlose Brille und entfernt sich nur selten von ihrem
Sitzplatz. Sie spricht mit fester und doch freundlicher
Stimme und scheint nachsichtig zu sein. Bald jedoch, kurz
vor Ostern 1953, widerfährt mir Folgendes bei ihr:
Ich
sitze weit hinten bei der rechten Wand; die Bankreihen scheinen zu
mir hin hochzusteigen. Vorne links sitzt das Fräulein und
spricht mit uns über den „Osterhasen”. Während noch einige
Kinder durcheinander reden, rufe ich aufgebracht
und auch triumphierend, weil ich es ja besser weiß, dazwischen:
„Aber den Osterhasen gibt es doch gar nicht!” Die anderen
reden weiter, scheinen es nicht gehört zu haben. Unsere Lehrerin
dagegen dreht sich – nach einem Moment des Zögerns? –
zu unserer Reihe hin und fragt scharf und feindselig:
„Wer hat das gerade gesagt?” Ich bin überrascht und
schweige. Schon befindet sie sich drunten vor meiner Reihe und
fragt sich von Bank zu Bank zu mir hin durch ... Sie droht noch, die
ganze Bankreihe zu bestrafen, wenn sich der Betreffende nicht
meldet. Ich kann es jetzt aber nicht mehr gestehen. Noch
Tage oder Wochen danach habe ich ein schlechtes
Gewissen.
Ein
wechselseitiger Vertrauensbruch. Zunächst greift die liberale
Lehrerin zu autoritären Mitteln, zu Verhör- und
Erpressermethoden, als sie ihr
Unterrichtsziel oder vielmehr das ihren Schülern
unterstellte Harmoniebedürfnis
gefährdet sieht.
Meine heftige, aus Herzen und Einsicht kommende Intervention
bricht vor dieser unerwarteten Aggression sofort
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