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VI Germanistisches



Herr H. 1966 (*um 1935) Photo von Gerhard Dotzauer

Quelle: www.max-behrendt.de/jahrgang/lehrerschaft.html



Studienassessor H. ist der letzte Lehrer, den wir in der Ober­stu­fe erhalten. Sein Unterrichtsstil scheint mir eine neu­e Ge­ne­ra­ti­on von Lehrern anzukündigen, hat in der to­le­ran­ten Lässigkeit etwas nüch­tern Programmatisches und ist wohl nicht ab­zu­tren­nen von dem neuen Un­ter­richts­fach Ge­mein­schafts­kun­de. Dieses über­schnei­det sich zwar im Stoff­li­chen im­mer wie­der mit den alten Fä­chern Erd­kun­de und Ge­schich­te, führt uns aber in ei­ne neue so­zi­al­ge­schicht­li­che und politische Di­men­si­on ein, die auch ethi­sche Fragestellungen wie die nach dem früh­­ka­pi­ta­li­sti­schen Um­gang mit der Ar­bei­ter­schaft be­r­eit­hält. Da­r­in und in dem diskussionsintensiven Stil ist es für mich das er­ste Schul­fach, in dem der de­mo­kra­ti­sche Geist der doch lan­ge schon bestehenden Bun­des­re­pu­blik sich selbst­be­wußt ma­ni­fe­stie­ren kann. Dieser As­ses­sor ist da­bei so offen, auch phi­lo­so­phi­sche Rand­fra­gen wie die nach der Wil­lens­frei­heit mit auf­zu­neh­men, die er – an­ders als ich – schon durch die mensch­li­che Ver­nunft für ge­si­chert hält. Frei­lich läßt er die Fra­ge nicht als ab­strak­tes Problem ste­hen, sondern be­zieht sie so­gleich wie­der auf das Un­ter­richts­the­ma <den De­ter­mi­ni­smus der Ras­sen­leh­re> zurück.

    Er kann durchaus ironisch, mißmutig oder auch pro­vo­kant auftreten, nimmt jedoch weder unseren Wi­der­stand noch un­ser Desi­nteresse persönlich, son­dern als Aus­druck unserer Schülerexistenz, so, als wüß­te er noch be­stens Be­scheid und dürf­te es auch kaum anders sein. Dafür scheut er sich auch nicht, ge­le­gent­lich zu den­sel­ben Listen wie un­ser­eins zu grei­fen. Als ich mich ein­mal wegen meines lü­cken­haf­ten Schul­be­suchs vor ei­nem Referat gedrückt und das The­ma schon mei­nem Bank­nach­barn über­las­sen ha­be, setzt er alles daran, mich von einer Stunde zur anderen, an­läß­lich der In­spek­tion un­se­res Schul­di­rek­tors, wenigstens als Kor­re­fe­­ren­­ten heranzuziehen. Gerade eben noch kann ich mich von ei­nem sei­ner ah­nungs­lo­sen Kol­le­gen be­ur­lau­ben lassen und so dem drohenden Fiasko ent­kom­men.

   Als ich Tage später wegen einer Verletzung beim Sport­abi­tur nur zusehen kann und sogar „Charly” mich fin­ster an­blickt und als Simulanten zu verdächtigen scheint, ist Herr H. der einzige, der zu mir hin­tritt und sich mit mir un­ter­hält („ist sehr char­mant”).

Ich habe es ihm schlecht vergolten. 1995 fragte ich einen ehemaligen Mitschüler nach ei­nem mir rätselhaft gebliebenen Ta­ge­buch­ein­trag, der sich auf un­se­re Ber­lin­fahrt vom 25.-31.10.64 bezog („Diskussion mit H. über Ber­lin; sagt, er wolle 


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