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Wegen all dieser
Probleme und Mängel spricht mich nie jemand an. Unseren Lehrern
ist es wohl egal, warum jemand nicht mitkommt, allenfalls
„Faulheit” und Unaufmerksamkeit werfen sie ihm vor oder
geben dem einen oder anderen unter uns – nicht mir –
die Empfehlung, einen praktischen Beruf zu erlernen.
Hilfe von meinen Eltern erwarte ich nicht, sie kennen
sich ja im Unterrichtsstoff nicht aus, auch bin ich
seit dem ersten Tag in der Grundschule ohne sie
ausgekommen. Ende 1956 gibt mir ein ungefähr 17jähriger
Pfadfinderführer, der aus einer gut sechs
Kilometer entfernten Stadt mit dem Fahrrad
zu mir kommt, einige Male Nachhilfe in Latein, da
ich bei gleichbleibend schlechter Lateinnote
nicht mit auf Fahrt gehen dürfte. Zu meiner Verwunderung
springe ich in der nächsten Klassenarbeit
von „mangelhaft” gleich auf „befriedigend”. Doch falle
ich nach dieser Eifelfahrt wieder in den alten Schlendrian
zurück. Zwar bemerke ich, daß so mancher
Mitschüler regelmäßig Nachhilfeunterricht
erhält, sogar von unserem Klassenlehrer Dr.
S., weiß aber, daß meine Eltern so etwas nie
bezahlen würden und will im Grunde auch keine
derartige Hilfe. So ist es mir denn ganz recht,
daß meine Eltern niemals in eine der Sprechstunden
gehen und eigentlich erst durch die von ihnen zu
unterschreibenden Halbjahreszeugnisse vom
Ernst der Lage erfahren.
Eines Nachmittags
ist es dann so weit und muß ich lange bange Minuten
durchstehen, als der Briefträger sich auf unser Haus hin
vorarbeitet: Wie seit Tagen von mir
befürchtet, liefert er bei uns einen Brief in grünlichem
Umschlag ab, den berüchtigten „Blauen Brief”,
der eine allerletzte Warnung vor der
Nichtversetzung enthält. Ich weiß nicht mehr, wie meine
Eltern es aufnehmen, nur, daß es relativ glimpflich ausgeht
und ich auf dem Gymnasium bleiben darf. Ich
hätte es aber nur für gerecht gehalten, wäre ich
sofort, wie Vater es mir schon öfter angedroht
hatte, „in eine Lehre gesteckt” worden.
Womöglich
war es der demonstrative Begleitbrief meines besonders schlechten
Herbstzeugnisses 1957, das als einziges die Bemerkung
enthält: „Die Versetzung ist sehr gefährdet!”
Dieses arg zerknitterte Zeugnis wurde von meinen Eltern nicht
unterschrieben. Vergaß mein Vater die Unterschrift,
weil er bei seinem Anblick doch noch außer sich geriet?
1957/58
(vermutlich im Frühjahr 1958) verabrede ich mit zwei
Klassenkameraden einen Fluchtversuch. Da wir uns
diesmal ziemlich sicher sind, alle drei nicht versetzt zu
werden, beschließen wir, an einem der folgenden
Tage mit den
Fahrrädern so weit wie möglich