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VI Germanistisches

Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Oberhausen-Sterkrade, Kollegium 1965

Quelle: ‘Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums’ (Oberhausen 2005, S. 26)



Obgleich ich in der Oberstufe an manchem Unterrichtsfach und -thema Geschmack finde, langweilt mich vieles wie eh und je oder stößt mich als Überbleibsel aus der Zeit des Paukunterrichts ab. Wie in den Deutschaufsätzen meine Be­mü­hung, die Sa­che in möglichst präziser For­mu­lie­rung zu durchdringen, wegen des enormen Zeitaufwandes zu einem neu­en Han­di­cap wird, so ist mir der mündliche Unterricht weit­hin da­durch ver­leidet, daß er zu kurzatmig und zu fremd­be­stimmt ist, um ein be­­grün­­de­tes eigenes Urteil zustande zu bringen. Sobald wie in der an­fangs in­ter­es­san­ten „Deutsch-AG” von Dr. S. sich so et­was wie ein Pensum oder ein Schema der Fragestellung und Beantwortung ab­zeich­net, ver­lie­re ich die Lust dar­an und stel­le mei­ne Mit­arbeit ein. Mit Ausnahme von so faszinierenden Stücken wie Wil­ders ‚Our Town’ oder ‚Mac­beth’ ar­bei­te ich dar­um kaum ein­mal ein Textheft durch und muß mir die Lücken immer wie­der durch In­tu­i­ti­on und Kombination er­gän­zen.


Immer öfter bleibe ich dem Unterricht fern, suche in den letzten Stunden die Sterkrader „Spielhölle” auf oder fahre schon früh­mor­gens mit dem Zug nach Oberhausen, um den Vormittag in der Stadtbücherei oder lesend und schreibend in einem Ca­fé zu verbringen. Hier versuche ich mich an kleinen philosophischen Fragestellungen und komplettiere auch mein Tagebuch. Durch gelegentlich mißtrauische und ironische Be­mer­kun­gen mei­ner Lehrer über solche Selbst­be­ur­lau­bun­gen las­se ich mich nicht beirren, diese Absenz gehört ebenso wie mein En­ga­ge­ment im Phi­lo­so­phie­un­ter­richt zu mei­ner Eman­zi­pa­ti­on vom Schü­ler­da­sein. Und nicht minder, daß ich nach Möglichkeit unsere Klas­sen­ar­bei­ten in den Fä­chern Eng­lisch und Französisch ver­säu­me, da sie mir eine verhaßte Arbeitsleistung abfordern: Es ist das Nach­er­zäh­len von län­ge­ren Tex­ten, die uns zwei­mal ver­le­sen wer­den und die wir dann so getreu wie möglich nie­der­schrei­ben sol­len; Zu­satz­fra­gen zur Text­aus­le­gung blei­ben bis zu­letzt zweitrangig.
Eigentlich unverständlich, daß an einer Schule, die sich als elitär verstand und uns primär zu einem wissenschaftlichen Stu­di­um hin­füh­ren woll­te, bis zum schriftlichen Abitur ein solcher Wert auf untergeordnete reproduzierende Leistungen ge­legt wur­de. Ent­hiel­ten die lan­des­wei­ten Prü­fungs­richtlinien fürs Schriftliche Abitur wirklich keine Alternativen? Dabei wa­ren wir in der Text­in­terpretation und auch in Dis­kus­si­ons­for­men, die sich aus den „Besinnungsaufsätzen” entwickelt hat­ten, schon recht ver­siert. Sie blieben aber mit Ausnahme des Fa­ches Deutsch dem münd­li­chen Unterricht vorbehalten.

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